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Das Politische und das Widersprüchliche

Statement

Einen Text zu schreiben, ihn in die Welt zu schleudern und zu hoffen, er würde alles verändern ist naiv. Aber diesen Text zu veröffentlichen und zur Diskussion zu stellen ist mutig. Man setzt sich etwas Unberechenbarem aus. Und darum gehts. Nicht, die Lesart vorzugeben, sondern einen Text darzubieten, der eine Öffnung für Leser*innen hat, für das Eigene, wie schon beschrieben. Gerade gestern viel bei einer Textbesprechung der Satz „Meine Gedichte sind klüger als ich“. Und das ist eine bemerkenswerte Sache für eine*n Autor*in, die Resonanz, die aufzeigt, was alles noch in dem Text steht. Wir Autor*innen sind blind durch unsere eigenen Texte.

Die Öffentlichkeit, die Gedichte haben, ist nicht zu unterschätzen, lieber Ingo. Häufig rede ich mit anderen - meist Dichter*innen, aber nicht bloß - über Dichtung. Ob es nun die Art und Weise ist etwas zu verarbeiten, etwas zu veröffentlichen, nicht publizistisch, sondern da eben politisch. Lieber Kevin, hier gehe ich einen anderen Weg der Begründung, wenn ich dich nicht falsch verstanden habe. Bei dir kam zuerst das Politische, daraus folgt das Öffentliche. Ich möchte das ganze umdrehen. Wenn ein Gedicht eine Öffentlichkeit bekommt - eine Rezension, eine Leseempfehlung, ein besoffenes Gespräch unter Freunden, Kollegen, Partnern, etc. dann bekommt es etwas Politisches. Das Politische ist meiner Meinung nur möglich, wo es auch eine Öffentlichkeit – in welcher Form auch immer – gibt. Das Öffentliche meine ich bei Texten vor dem Politischen zu bemerken. Jeder öffentliche Texte, jeder besprochene Text, jeder (vor)gelesene Text ist etwas Politisches. Genauso bei Musikstücken, Theateraufführungen, Filmen etc.

Tritt so nicht schon etwas Neues auf? Der gelesene Text verändert mich, wie auch – aber – immer.  Die Aufstände der letzten Jahre, die Arbeit der Mutter wertschätzen lernen, der Rechtsruck werden dargelegt.  Stehen wir vor dem Text genauso dazu wie danach? Das ist nicht wichtig, sondern, dass die Texte da sind, die es aufzeigen, die sich literarisch, persönlich und damit gleich auch öffentlich, politisch damit auseinandersetzen. Ich weiß auch nicht, ob ich hier von mehr als einem Wir sprechen würde, das Text und Leser*in umfasst. Wir kann dieses neue Wir aussehen, ist es möglich? Ist Pegida nur eine Hirncloud in Abschottung, die so tut, als wäre sie ein „Volk“, ohne es zu sein?

Ich weiß nicht, ob die Widersprüchlichkeit eine Rettung für mich ist. Ich halte den Menschen für das irrationale Tier. Die Widersprüchlichkeit umgibt mich dauernd und wir finden uns häufig damit ab, weil sie so banal geworden ist – vielleicht ja schon immer war. Der Widerspruch mit den Gedichten etwas zu wollen und nicht zu wollen ist groß für mich, ich muss einen Drang zum Schreiben haben, will aber eine Freiheit innerhalb des Textes. Ist die Widersprüchlichkeit nicht mehr die Verarbeitung meiner selbst, meiner Welt in Textform? Menschen vor eine Widersprüchlichkeit zu stellen macht Spaß, keine Frage, aber ich möchte das nicht als billigen Trick missbrauchen, ich möchte es zur Disposition stellen, in einer Zeit, in welcher viele versuchen einfacher und einfacher Losungen/Lösungen zu verkaufen.