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Der Abschied der Öffentlichkeit

Statement

Hinter den Kulissen (und im Kommentar) kam die Frage auf, ob es das schon war. Definitiv nicht. Für mich ist hier aber das letzte Statement, deswegen will ich die Zeilen nicht verschenken und die Frage aufgreifen, die mich an dieser Diskussion am meisten im Nachgang beschäftigen wird. Martin, im glauben mich missverstanden zu haben, schrieb, dass das Öffentliche dem Politischen vorgelagert ist. Ich glaube, das ist eine These, die für das 20. Jahrhundert gelten kann, wo Publikationsprozesse noch wesentlich überschaubarer gewirkt haben. Das 21. Jahrhundert kennt aber Blogs, kennt fixpoetry, kennt so viele Medien, dass wir das „Öffentliche“ so einfach gar nicht mehr definieren können. Das „Öffentliche“ sind die Menschen, die wir als Zahlen über die Webseitenzugriffe extrahieren können? Die E-Book-Downloads? Der – wie es in der Werbung heißt – Sichtkontakt? Das  Öffentliche ist damit für mich an dieser Stelle als Illusion entlarvt, auch wenn theoretisch jede Person mit Internetzugriff auf diese Texte zugreifen kann. Das „Politische“ dagegen, auch wenn es der Öffentlichkeit bedarf, ist hier für mich vorgelagert. Zugespitzt gesagt: eure Texte, auch diese Diskussion, verhandeln das Politische (hier spare ich mir die Anführungszeichen, der Begriff braucht keine Quarantäne mehr an dieser Stelle). Warum, dazu gibt es weiter oben genug Futter.

Was aber zuerst da war, das Politische oder das Öffentliche, zumindest aus zeitgenössischer Sicht, aus Sicht auf die Poesie zumindest, da will ich nicht von einer kausalen Kette sprechen. Weder das Öffentliche gebiert das Politische, noch das Politische das Öffentliche. Sie bedingen einander. Sobald Poesie die Welt der Befindlichkeiten verlässt, sobald sie sich mit einem Gegenstand außerhalb der Erhöhung von Gefühlswelten beschäftigt, tritt sie in einen intersubjektiven Raum und verhandelt so das Politische. Die Flüchtigkeit, die Ingo mit Rimbaud in den Ring trägt, gehört zu den Stärken der Poesie, denn sie regt zum Denken an. Jetzt kommt mir sofort Martins Kommentar in den Sinn: ja, die Philosophie ist hier ein Hyperlink. Auch wenn die Gefahr besteht, in den Intellektuellensprech abzugleiten: Sie verbindet die Poesie mit dem Politischen. Das poetische Nachdenken über die Welt ist politisch. Oder wie Walter Benjamin es ausdrückt: „Der Kommunismus antwortet mit der Politisierung der Kunst.“  

Walter Benjamin schreibt das 1935, kontextualisiert man seinen Kommunismus-Begriff historisch und übersetzt man ihn ins Heute, greift seine Formel noch immer.

Vielen Dank in die Runde!