7 Fragen an Nora Bossong
1 Sind Gedichte Fiktion?
Sicherlich sind sie Fiktion, wie vieles andere, mit dem wir im Alltag umgehen, als hinge ihm keine Fiktion an.
2 Welche Rollen spielen ältere Männer? In der Prosa erscheinen sie als Protagonisten - und finden sich auch in der Poesie. Anders gefragt: wo und warum werden Väter versteckt?
Versteckt werden Väter eigentlich nicht – in Webers Protokoll ist der Protagonist zwar ein Mann um die sechzig, aber eben gerade kein Vater, sondern ein in seiner Einsamkeit verstrickter Mensch, dem nicht einmal die Ehe eine wirkliche Nähe ermöglicht. In „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ wiederum gibt es einen Vater, kein Musterbeispiel seiner Zunft, aber doch ein offensichtlicher; ihn verfolgt die Frage nach Erbe und vererbter Verantwortung, in die eine wie in die andere Generationenrichtung.
3 Wie wechselst Du von der Poesie in die Prosa, von der Prosa zur Poesie? Und: wie entscheidest sich, ob etwas ein Gedicht wird? Oder anderswohin gehört?
Ob etwas zu einem Gedicht werden kann oder sich eher für einen Prosatext eignet, merke ich manchmal erst nach langen Versuchen. Ebenso kommt es vor, dass mich ein Thema zu einer Erzählung oder gar zu einem Roman reizt und in dieser Form, so oft ich es auch um- und umschreibe, einfach nicht überzeugen will. Das ist der Moment für den Wechsel von der einen in die andere Form.
4 Gibt es Schreib-Rituale?
Ritual wäre zuviel gesagt: Morgens mit dem ersten Kaffee an den Schreibtisch.
5 Wie fangen Gedichte an? / Wie enden sie?
Gedichte fangen zufällig an, mit einer Formulierung, einer Beobachtung, einem Bild, etwas, das mich aus der Routine bringt. Die Arbeit endet für mich, wenn jede weitere Änderung meinerseits das Gedicht nicht mehr verbessert. Das heißt nicht, dass es keine Verbesserung mehr gäbe, es heißt nur, dass ich sie nicht mehr finde – es endet also nicht das Gedicht, sondern meine Kompetenz, es zu schreiben.
6 Was hältst du von dem Gegensatz „kaltes Material“ (à la Benn) oder persönlicher Lebens- und Gefühlsbezug, wenn es um das Verfassen bzw. Überhaupt-Schreiben-Können von Gedichten geht?
Unmittelbares muss erst eine Weile auf Distanz lagern und kaltes Material in Beziehung zum Leben treten. Und dann muss der große Bogen geschlagen werden. Oder ein Salto.
7 Wie baust du einen Gedichtband auf?
„Sommer vor den Mauern“ teilt sich in acht Kapitel, die entweder einen Zyklus umfassen oder Gedichte versammeln, die motivisch und geographisch zueinander in Beziehung stehen. Im Spannungsbogen des gesamten Bandes habe ich zwei dominierende Elemente – die nördliche, protestantische Landschaft und die südliche, katholische Gegend – gegeneinander gestellt und an dieser Hauptlinie entlang die Texte angeordnet.
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