Blanka Beirut - Tagebuchstaben (19)

Kolumne

Autor:
Andrea Karimé
 

Kolumne

gebügelte Wiesen, Hahnentrittfluten / Mai/ 19/ tement’aasch

der Weg der reich macht
führt über Leichen

(Jussuf Naoum)

Zwischen den Zeilen wohnt der Altpapierfriseur. Und räumt in den Buchstaben auf, mit Schere und Rasiermesser. Nach Schweizer Vorbild. Blanka Beiruts Reise ist noch nicht beendet. Im Zug sitzt ihr eine Frau mit Hornarmreifen und dem Muster wilder Tiere gegenüber. Ihre Töchter kommen aus Bullerbü mit horizontblauen Augen und I-Pod, ihre Iris schwarz fransig umrandet.


Der Wetterglanz ragt auf Blankas Laune, der Schweizer Bahnverkehr funktioniert reibungslos. Fliegt in passender Uhrzeit an sauberen  Häusern und Vogelscheuchen Heuschrecken auf dem Feld vorbei. Blankas Schriften stürzen in gebügelte Wiesen und Hahnentrittfluten. Dabei gerät ein feines Schirmchen von König Löwenzahn zwischen ihre Wimpern. Was schmuck ist und passt und außerdem die Sicht verändert. Mit diesem Schirmchen fliegen ihre Gedanken vom Almgras weg, auf in die Lüfte. Da wispern die Elemente und stellen sich auf, vor die Augen, wie ein filigraner Japanvorhang.

Doch trotzdem denkt sich Blanka Beirut die Gier des Franzosen Geldsacks auf der Jagd nach den Zimmermädchen. Nein, natürlich hat er kein Unrecht begangen. Aus seiner Sicht. Das Gesetz sagt: Reichen ist der Gang über Leichen erlaubt, sogar notwenig sei er, sonst schrumpft da was. Hier über der Hahnentrittwiese wird Blankas Gedanken alles erklärt. Und deshalb stürzen sie ab, trotz Pusteblumenfallschirmchen. In Löwenzahnpupillen und Hahnentrittfluten ohne Leichen fallen sie weich.