Blanka Beirut - Tagebuchstaben (31)

Wochenkolumne

Autor:
Andrea Karimé
 

Wochenkolumne

Vom fehlenden Zischen der Buchstaben / 31/ wahid u talatin/ September

Ich schrie so laut, dass die Berge die Plätze wechselten.
(Emine Sevgi Özdamar)


Trotz dicker Mine bleiben Blanka Beiruts Tagebuchstaben heute dünn und blass. Nicht das kleinste Zischen darin. Auf ihrem Schreibtisch liegt aber eine mittelgroße Armträne, frisch gedichtet vom Nymphensittich, der heute feuchte Wörter bevorzugt.


Blanka zieht deshalb weltweite Hosen an und macht sich damit auf den Weg. Doch da schreit der Herbst und zwar so laut, dass sich zwei Eifelberge bewegen und den Platz tauschen. Wegen dem Papst, der den Bundestag beschallen darf und nicht zuhören muss! Der Wind fährt in die Kastanien und diese wie Schüsse aus einer Kinderpistole aus dem Laub. Herbstprime in den Linden, deren Blätter gefährliche Punkte in den Himmel bohren.

An der Kasse des Supermarkts sitzt eine Frau mit Kopftuch, unter dem weiße Spitze hervorlugt. Wie bei Blankas Tante Semia, die aus reichem Hause in Aleppo ist. Nur deren Ausschnitt ist nicht so tief. Hier reicht er bis zum Geldfach. Fast ein Nest für den Nymphensittich, der von dieser Idee viel hält. Blanka steckt den Ausschnitt in ihre Handtasche und schreibt im Café von rechts nach links. Die Lösung! Sonnenbuchstaben und Mondbuchstaben. Da zittern die Schuppen meines Herzens, denkt sie, eine völlig neue Aussicht, vollkommen fremde Fahrt des Stifts.
Frau Kairo kommt dazu, steigt aber nicht ein in das arabische Letternbötchen. Sie hat einen neuen Computer, den sie dann statt Blanka mit ins Restaurant nimmt. Dort wirft er Blaulicht in die Fischsuppe. Hat Pappa schon schon begonnen mit seiner Weih’?