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Wochenkolumne
Wörtmüsikler - Wortklavier und letzte Tagebuchstaben vom Bosporus
Wo ist aber meine Krisentasche? Es ist Zeit zum
Aufbrechen. Den linken und dann den rechten
Kontinent noch einmal kurz ansprechen...
(Yoko Tawada)
Blanka Beiruts Blätter bleiben heute leer. Nicht die kleinsten Tagebuchstaben hat sie beim Saubermachen der Abreisewohnung in den Ecken gefunden. Nur letzte Stundenkrümel stehen ihr ihm Weg. Und das liegt nicht nur an der Zeitverschiebung, hüben wie drüben. Die Zeitreste werden aufgesammelt und geknabbert wie Pistazien. Auch der Nymphensittich kommt auf seine Kosten: Kreischen darf er, und Sesamkörner und Brotkrumen und türkisch Allerlei pickt er vom Boden und wirft sie in die große Tasche.
Die wird von der Krisentasche zur Reisetasche, aber schon plagt Blanka Beirut die Zipperleine, wegen der ganzen ungeordneten Pistazientexte. Am Schreibtisch juckt das Auge und verlangt Zeigefingerbehandlung, und weil sie nicht aufpasst, liegen Haare auf der Tastatur. Aber Blanka! Da hilft nur 3x täglich kämmen, dann die Flüchtlinge einsammeln, zusammen mit den flüchtigen Minuten und ab in den Müll damit.
Ihre welken Vasenblumen wie Federvieh nicken und hören Chorus Angelorum in ferner Marstonart.
Später die vornehme Gischt der Weltwasser zwischen rechtem und linken Kontinent. So gerät Blanka wieder in die Fugen, die Abschiedsfugen. Freundlich werfen die Kontinente Lichtmusik und oudgespielte Vokalharmoniebrocken kettenweise zum Gepäck, nur weil Blanka sie anspricht, wie beste Freunde. Und als Abschiedsgeschenk bringen die Kontinentschwestern Asya und Avrupa den Anblick Glück bringender Finnen. Delfine im Wasser ihrer Kehle Bosporus. Blanka wirft die Erinnerung an sie und das Glück in ihre Handtasche und legt den Nymphensittich dort zu Bett.