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Wochenkolumne
Menetekelbläschen im Hall des Windes
Milchschaum züchten als ein Tier
in dem die Löffel schöner stecken bleiben
Kerstin Becker
Ad libitum heißt das finstere Wochenmotto der Welt. Oder zum Westwind. Die Kanzlerin kanzelt den Minister und in Blanka Beiruts Treppenhaus trümmert der Nachbar wie Steinsbrocken Befehle auf sein klagendes Kleinkind. Steh auf! Deshalb singt Blanka eine hohe große Sekunde ad libitum dagegen bis er die Tür öffnet und messerscharf lächelnd „Guten Tag“ sagt. Verweint schaut das kindliche Haustier in den Hall des einströmenden Windes und schickt dann den Blick wieder hinauf zu seinem Gottvater, den es leider nicht einfach entlassen kann. Rausschmeißen und einen neuen suchen: aus vielen Gründen unmöglich.
Kurze Zeit später züchtet sich Blanka deshalb bissige Milchschaumtiere auf dem Kaffee, mit Menetekelbläschen, und dann lässt sie sie alle frei, nach oben zum Nachbarn und mit dem Westwind gen Osten. Da wo es noch immer und immer wieder brennt.
Dann eilt ihr Stift über das Papier, als müsse er einen Zug kriegen. Stimmt ja auch, den Zug der Gedanken, denn der ist schnell mal weg. Wartet nie, immer abfahrbereit. Also: Hast bis in Unleserliche hinein. Und was hast du nun davon, Blanka? Ein unerhörter Seufzer: Warum ist die Musik zwischen ihren Buchstaben manchmal der zwischen ihren Beinen so ähnlich? Ach könnte das doch jeder hören! Und warum kann sie ihr Herz nicht einfach rausnehmen, aus dem Brustgefängnis und auspressen den Traurigkeitssaft, wie aus einer Zitrone? Zitränensaft. Im Moment des Gedankens verwandelt sich das Kinderweinen über ihr in Lachen. Grundlos.