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Wochenkolumne
Fußballimam, Zeltverstecke
Seit ihrer Kindheit sagt meine Freundin nie „mein Land“, sondern immer „Stätte meiner Geburt“. Sie erklärt mir den Unterschied zwischen den beiden Ausdrücken. „Die Geburtsstätte ist fix, aber mein Land kann ich frei wählen.“ „Und welches ist dein Land, Freundin?“ „Natürlich gibt es für Frauen mit eigenem Verstand kein Land.“
(Nawal El Sadaawi)
X mal Grau + 1 mal Blau ergibt Juni. So rechnet die landlose Frau Kairo. Deutschland rechnet anders. Ein Ball ersetzt den Grausummand und schon ist schönes Wetter. Blanka Beirut weiß noch nicht. Sie summt Frau Kairo erst einmal zum Trost irgendwelche Pianissimo-Töne ins Ohr. Bravo, Blanka! Dafür gibt es zur Belohnung abgepackten kalten Cappuccino in Joghurtbechern und Sekt ohne Alkohol. Frau Kairo holt die Wolken ins Zimmer und zitiert Nawal El Sadaawi. Zu bitter, findet Blanka, deren Wort später kurvenreich ihren Stift Schmetterling belagert. Und das, obwohl es heute gar keine Schlagzeilen gibt. Weil die Fußball-Feder alles überschrieben hat. Jetzt will die auch noch bei Blanka Beirut mitmischen.
Doch Blanka ist nun entschieden: Sie will nicht!
Der Nymphensittich bringt daraufhin eine Depesche des Fußballimams. Auf die Außenseite mit dir! Und ein Urteil: Landlos! Begründung: Vielgötterei! Es gibt keinen anderen als den runden Gott am Tag des Fußballs.
Blankas Freunde halten sich die Ohren zu. Man darf eben in Deutschland jetzt nicht alles sagen. Zumindest nicht, wenn man Land und Sympathien behalten will.
Ballfieber ist die Rettung.
Blanka steckt sich an.
Sie recherchiert mit weit geöffneter Bluse und Bierflasche alle Termine für mögliche Tore. So ist sie auf alles vorbereitet: Interviews, Suffkumpanen, Terminverschiebungen, Scherbenwasser.
Während Blanka also Termine speichert, kritzelt sie Winkelzeichen in ihr Heft. Mal sehen sie aus wie Pfeil und Bogen, mal wie kleine Zelte. Blanka Beirut soll beides recht sein. Hauptsache der Imam beruhigt sich.