eingekreist - die Monatskolumne Juli 2012

Monatskolumne

Autor:
Christian Kreis
 

Monatskolumne

The name of the Dutch Sexminister

Juli 2012

Vor einiger Zeit wurde meine Geschichte „Home sweet Home“ von einem Schauspieler im Gewandhaus vorgelesen. Ich saß im Publikum und war von mir beeindruckt. Kurz darauf erhielt ich eine Email von Richard Büdke (Name geändert). Ich dachte, bestimmt jemand, der ein Autogramm von dir haben möchte. Herr Büdke schrieb, er finde, daß Schriftsteller eine gewisse Verpflichtung empfinden sollten, die deutsche Sprache zu pflegen. Doch vielleicht fielen Menschen meiner Generation Anglizismen gar nicht mehr auf? Ich antwortete Herrn Büdke, daß ich grundsätzlich auch kein Freund von Anglizismen sei, in dieser Geschichte aber, in der der Protagonist ständig von seiner Mutter aufgefordert wird, Kuchen zu essen, und Kuchen bekanntermaßen meist süß ist, sei der englische Titel einfach passender als beispielsweise „Trautes Heim, Glück allein“. Herr Büdke gab nicht nach, sondern folgende Antwort: Er sehe sich im Wesentlichen darin bestätigt, daß mir, und wohl meiner Generation, die vielen Anglizismen des täglichen Sprachgebrauchs nicht mehr auffallen. Meine Deutung des bewußt gewählten englischen Titels erschließe sich ihm erst nach meiner dazu gegebenen Erklärung. Jetzt, da er wisse, was ich mit dem englischen Titel bezwecke, sei ihm der Titel allerdings zu deutlich. Ich dachte, auf dem Weg zum Ruhm wirst du es wohl nicht jedem Recht machen können.

Neulich hatte Marko Häufig (dieser Name nur leicht geändert), der ein Schriftstellerkollege von mir ist, gegen 2 Uhr nachts auf Facebook (für Herrn Büdke möchte ich es mit „Gesichtsbuch“ übersetzen) einen Link (Verbindung) zu einem Artikel gepostet (mitgeteilt), der über einen Sexismusskandal bei der Uni-Fußball-Liga in Göttingen berichtete. Er wurde ausgelöst von verballhornenden Mannschaftsnamen wie „FC Siewillja“, „Eintracht Fraunschweigt“ oder „Ajax Lattenstramm“, Namen, die die Gleichstellungsbeauftragte sehr erregten und einige linksalternative Gruppen noch dazu, so daß ein Shitstorm (Scheißesturm) über die Facebookseite des FC Siewillja hereinbrach. Ich war nun der Auffassung, solche Dinge sind nur mit dem nötigen Unernst zu betrachten, und postete, daß 1988 auf dem Schulhof bei uns folgender Kalauer kursierte. Frage: Wie heißt die russische Sexministerin? Antwort: Olga Machslochoff.

Wahrscheinlich ein Klassiker. Ich hätte auch noch den zweiten Teil dieses Kalauers zum Besten geben können, der ebenso gern vor und nach dem Russischunterricht gebracht wurde, ließ es jedoch sein und ging zu Bett[1]. Am anderen Tag hatte ein anderer Schriftstellerkollege namens Maik Kuhlhaas (Name zum Schutz der Persönlichkeit ebenfalls nur sehr leicht geändert) meinen Kommentar folgendermaßen kommentiert. Zitat: „auf die gelegenheit haste gewartet, was christian, diesen pubertären altherrenwitz endlich nochmal anbringen zu können. naja war ja nich alles schlecht früher. was ist eigentlich aus den judenwitzen geworden? für welche gelegenheit bewahrst du die auf? wenn die burschen kegeln? und die schwulenwitze christian, was ist damit? weihnachten in der familie, mir wird echt übel.“

Woher wußte Maik Kuhlhaas, daß wir zu Weihnachten traditionellerweise Schwulenwitze machten? Schon als kleiner Junge sollte ich nämlich, bevor der Weihnachtsmann die Geschenke aus dem Sack zog, folgenden Spruch aufsagen: „Der Schwule läßt die Arbeit ruh’n und freut sich auf den Afternoon“. Gott, was haben wir gelacht. Ok! Es wäre vielleicht gut gewesen, es an dieser Stelle auf sich beruhen zu lassen, denn was man nachts postet, ist oft aus der Hüfte geschossen, doch mir schien, daß mein Kollege eine Antwort verdient hatte. Also schrieb ich folgenden Kommentar: „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Schweinische Kalauer werden gemacht, solange es ein gesellschaftliches Umfeld gibt, das sich darüber erregt. Je größer das Tabu des Sexismus, desto reizvoller der Tabubruch. Ich finde die obigen Kalauerangebote vom Witzpotential allerdings eher mäßig, aber ihr Aufregungspotential scheint mir, wie ich sehe, nicht schlecht zu sein, so daß ich fast versucht sein könnte, sie noch mal zu wiederholen.“ Ich gebe zu, für diesen Kommentar habe ich mich richtig zusammengerissen. Ich fühlte mich wie Ahmadinedschad der wie Martin Luther King reden muß. Der Kollege antwortete mir daraufhin auch etwas akademischer: „es würde zu weit führen, jetzt meinen politisch korrekten kommentar zu begründen. aber was du schreibst zielt knapp an freud vorbei, ich glaube auch, dass das gelächter über solche witze ungleich verteilt ist. das kritische potential scheint mir jedenfalls geringer als das affirmative.“

Dann schaltete sich noch eine Schriftstellerkollegin ein. Sie postete: „der fc siewillja ist kein kalauerangebot, es ist eine missachtung selbstbestimmter sexualität“

Mir wurde plötzlich bewußt, daß die Diskriminierung und Ausgrenzung des schweinischen Kalauers in meinem persönlichen Umfeld schon sehr weit fortgeschritten war. Wenn wir nicht aufpassen, wird er bald aus unserem Wortschatz verschwunden sein. Und dann will es wieder keiner gewußt haben. Deshalb zitiere ich jetzt gleich drei Stück hintereinander – nicht, weil ich sie etwa so lustig finde, sondern um ein Zeichen zu setzen.

Wie heißt der niederländische Sexminister?
Fick van Hinten.

Vibrator auf Türkisch?
Fützgerüttel

Wie nennt man die Schambehaarung einer Liliputanerin?
Zwerchfell![2]

Im Grunde meines Herzens möchte ich zwar nur geliebt werden, aber eins habe ich mir hinter den Penis geschrieben: Auf dem Weg zum Ruhm wirst du es wohl auch einigen SchriftstellerkollegInnen nicht recht machen können. Und dem Herrn Büdke möchte ich versichern, daß für diese Kolumne kein anderer Titel als dieser in Frage kommt.



[1]  Jeder und jede, der und die mit sexuell konnotierten Kalauern moralische oder ästhetische Probleme haben, sollten diese Fußnote nicht zu Ende lesen. Sie können an dieser Stelle abbrechen. Weiterlesen nur auf eigene Gefahr. Der russische Sexminister heißt Wladimir Ficktusimir.

[2] Dieser Kalauer ist nicht nur sexistisch, er hat sogar den Mehrwert der Behindertendiskriminierung.