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Essay
Das Wort zündet eine Fackel an - Orientalische Einheit von Dichtung und Musik in der Kunst des Mugham
Jedem Mugham werde ein bestimmtes Gefühl oder eine Emotion zugeordnet. Zum Beispiel stehe "Seygah" für Kummer, "Shur-Shahnaz" für Zärtlichkeit. Alim Qasimov sieht die Grenzen fließender: "Manche sagen, daß "Charganah" im Geist von Kampf und Krieg steht. Ich sage, daß es auch für ein Gefühl des geistigen Wachstums steht." Alim Qasimov hat keine bevorzugte Richtung des Mugham: "Ich fühle die Natur, den Charakter, den Geruch und die Farbe eines jeden einzelnen. Man muß sie von innen heraus verstehen ... vielleicht ist es das, was den Geist befähigt, über den Körper hinauszugehen. Ich glaube an diese geistige Welt, ich glaube, daß sie nie zugrunde geht. Ich möchte Mugham als eine Welt des Geistes sehen. Der Geist ist nicht greifbar, wie Gott nicht zu greifen ist, er ist nicht wie die Mathematik, wo man eine Formel hat nach dem Schema: zwei mal zwei ist vier. Das würde begrenzen. Ich möchte Mugham als etwas unerschöfpliches sehen. Von dieser Sicht möchte ich nicht sagen, daß "Seygah" nur Kummer ausdrückt, oder "Shur" Zärtlichkeit. Mughams, jedes für sich, drücken eine Vielzahl an komplexen Gefühlen aus."
Für Mugham werden Ghasele, Gedichte des Orients mit einem bestimmten Versmaß, ausgewählt, die meist von bekannten klassischen Dichtern wie Khagani, Fizuli, Shirvani oder Sabir stammen. Die Gedichte müssen den Sänger direkt in seinen Gefühlen ansprechen: "Ich lese das Gedicht, und wenn es mein Herz höher schlagen läßt, wähle ich es aus", sagt Alim Qasimov. Die Mughamlyrik bezieht sich dabei auf menschliche Gefühle, die universell sind: Liebe, Leidenschaft, Einsamkeit, Kummer, Sehnsucht und Verrat. Die Interpretation dieser Gedichte hängt stark vom Zuhörer ab. Die Dichtung und die Musik stehen ebenbürtig nebeneinander - wobei die Musik weitgehend frei von einem strengen Regelwerk ist, die Dichtung dem gegenübersteht mit der vorgegebenen Form des Ghasels.
"Je älter man wird", sagt Alim Qasimov, "um so mehr Philosophie sieht man in den Gedichten." Und auch wenn manche Gedichte in arabischer oder persischer Sprache sind, der Sänger also nicht jedes einzelne Wort verstehen kann - "ich fühle und verstehe durch Intuition, was sie aussagen wollen", sagt Alim Qasimov, "vielleicht ist es besser, wenn ich die Gedichte dann selbst in der Musik interpretiere. Das Wort berührt mein Herz und zündet eine Fackel an."
Es gibt große Unterschiede, wie zeitgenössische Sänger Mugham vortragen, und auch gegenüber ihren Vorgängern finden Weiterentwicklungen statt. rühere bedeutende Sänger waren Seyid Shushinski und Jabbar Garyaghdioghlu, wobei die Kunst des Mugham heute sich wahrscheinlich näher an den früheren Formen, vielleicht vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts, orientiert - nach 70 Jahren weitgehender Stagnation in der Sowjetunion findet ein Anknüpfen an frühere Traditionen statt.
In der Sowjetunion war Mugham als für den Sowjetmenschen unwichtige Volkskunst abqualifiziert worden - und auch nicht gern gesehen, da Mugham auf die kulturelle Eigenständigkeit der Völker im Süden des Kaukasus hinwies. ennoch fügten auch hier Mugham-Künstler der Kunstmusik des Mugham ihre persönlichen Weiterentwicklungen hinzu - heute begeistern Mugham-Konzerte im gesamten kaukasischen und zentralasiatischen Raum - man sollte denken, sie seien inzwischen von der auch dort die Welt erobernden westlichen Disco-Musik verdrängt. Aber gerade junge Menschen wenden sich dem Mugham zu, die sich selbst, die Tradition ihrer Völker und ihrer Sprachen, gepaart mit ungeheuer modern anmutenden, improvisatorischen Möglichkeiten des Mugham, wiedererkennen.
Die Improvisation spielt die wichtige Rolle beim Mugham. "Sie kommt von ganz innen", sagt Alim Qasimov, "ich weiß nicht, wie diese Rhythmen zustandekommen, ich berechne sie nicht vorher. Ich höre auf mein Herz, und das gibt dem Rhythmus der Daf einen bestimmten Frieden." Der Sänger spielt auf der Daf, einer kleinen Rahmentrommel mit Glöckchen und Metallringen, dazu werden weitere Instrumente gespielt: die mit drei doppelchörigen Saiten ausgestattete Langhalslaute Tar, die mit der Haut eines Kuhherzens bespannt ist, und die viersaitige Spießgeige Kamancha, das Rohrblattinstrument Balaban und die kleinen Pauken Nagara. Die Führung beim Mugham liegt beim Sänger, die Interaktion zwischen den Instrumentalisten gibt dem Mugham aber seine spezifische Charakteristik - die Imitation der Melodielinien durch die Tar- und Kamandscha-Spieler wie auch die Vorgabe einer neuen Linie für den Sänger. In seinem Innersten ist Mugham Improvisation - "du schwimmst", sagt Alim Qasimov, "und es hört nie auf"; ein Leben im Mugham.
Mugham ist nicht einfach zu verstehen. Der Zuhörer muß sich zunächst einmal auf das Timbre, auf die Qualität der Stimme des Sängers konzentrieren; aber auch, wie diese in der Lage ist, Emotionen hervorzurufen. Und dann muß er auf die Linien der vorgetragenen Improvisationen achten und darauf, wie die Stimme diese bewältigt." Er muß sich ganz auf die Musik einlassen und erlebt dann, wie seine Phantasie auf Reisen geht, auch wenn er die vorgetragenen Gedichte nicht versteht.
Extreme Intensität und Konzentration machen den guten Sänger aus. Und Mugham kann, so die Überzeugung vieler Sänger, einen reinigenden Effekt sowohl auf den Sänger als auch auf die Zuhörer haben - "ich bin sicher, es kann sogar Kriminelle davon abhalten, Verbrechen zu begehen", sagt Alim Qasimov. Es gebe keinen Platz für Haß in einem Herzen, wenn Mugham gehört wird. Die Inhalte des Mugham wirkten direkt auf die Seele. "Jeder einzelne Ton ist Ausdruck elementarer Gefühle", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung über Alim Qasimov, "die grazile Schönheit und atmosphärische Dichte der Musik überbrückt Stunden wie Jahrhunderte, schafft Augenblicke der Ewigkeit." Und Le Monde schrieb: "Der Sänger muß Schmerz wie Ekstase fühlen, um sie überhaupt interpretieren zu können."
Für Mugham werden Ghasele, Gedichte des Orients mit einem bestimmten Versmaß, ausgewählt, die meist von bekannten klassischen Dichtern wie Khagani, Fizuli, Shirvani oder Sabir stammen. Die Gedichte müssen den Sänger direkt in seinen Gefühlen ansprechen: "Ich lese das Gedicht, und wenn es mein Herz höher schlagen läßt, wähle ich es aus", sagt Alim Qasimov. Die Mughamlyrik bezieht sich dabei auf menschliche Gefühle, die universell sind: Liebe, Leidenschaft, Einsamkeit, Kummer, Sehnsucht und Verrat. Die Interpretation dieser Gedichte hängt stark vom Zuhörer ab. Die Dichtung und die Musik stehen ebenbürtig nebeneinander - wobei die Musik weitgehend frei von einem strengen Regelwerk ist, die Dichtung dem gegenübersteht mit der vorgegebenen Form des Ghasels.
"Je älter man wird", sagt Alim Qasimov, "um so mehr Philosophie sieht man in den Gedichten." Und auch wenn manche Gedichte in arabischer oder persischer Sprache sind, der Sänger also nicht jedes einzelne Wort verstehen kann - "ich fühle und verstehe durch Intuition, was sie aussagen wollen", sagt Alim Qasimov, "vielleicht ist es besser, wenn ich die Gedichte dann selbst in der Musik interpretiere. Das Wort berührt mein Herz und zündet eine Fackel an."
Es gibt große Unterschiede, wie zeitgenössische Sänger Mugham vortragen, und auch gegenüber ihren Vorgängern finden Weiterentwicklungen statt. rühere bedeutende Sänger waren Seyid Shushinski und Jabbar Garyaghdioghlu, wobei die Kunst des Mugham heute sich wahrscheinlich näher an den früheren Formen, vielleicht vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts, orientiert - nach 70 Jahren weitgehender Stagnation in der Sowjetunion findet ein Anknüpfen an frühere Traditionen statt.
In der Sowjetunion war Mugham als für den Sowjetmenschen unwichtige Volkskunst abqualifiziert worden - und auch nicht gern gesehen, da Mugham auf die kulturelle Eigenständigkeit der Völker im Süden des Kaukasus hinwies. ennoch fügten auch hier Mugham-Künstler der Kunstmusik des Mugham ihre persönlichen Weiterentwicklungen hinzu - heute begeistern Mugham-Konzerte im gesamten kaukasischen und zentralasiatischen Raum - man sollte denken, sie seien inzwischen von der auch dort die Welt erobernden westlichen Disco-Musik verdrängt. Aber gerade junge Menschen wenden sich dem Mugham zu, die sich selbst, die Tradition ihrer Völker und ihrer Sprachen, gepaart mit ungeheuer modern anmutenden, improvisatorischen Möglichkeiten des Mugham, wiedererkennen.
Die Improvisation spielt die wichtige Rolle beim Mugham. "Sie kommt von ganz innen", sagt Alim Qasimov, "ich weiß nicht, wie diese Rhythmen zustandekommen, ich berechne sie nicht vorher. Ich höre auf mein Herz, und das gibt dem Rhythmus der Daf einen bestimmten Frieden." Der Sänger spielt auf der Daf, einer kleinen Rahmentrommel mit Glöckchen und Metallringen, dazu werden weitere Instrumente gespielt: die mit drei doppelchörigen Saiten ausgestattete Langhalslaute Tar, die mit der Haut eines Kuhherzens bespannt ist, und die viersaitige Spießgeige Kamancha, das Rohrblattinstrument Balaban und die kleinen Pauken Nagara. Die Führung beim Mugham liegt beim Sänger, die Interaktion zwischen den Instrumentalisten gibt dem Mugham aber seine spezifische Charakteristik - die Imitation der Melodielinien durch die Tar- und Kamandscha-Spieler wie auch die Vorgabe einer neuen Linie für den Sänger. In seinem Innersten ist Mugham Improvisation - "du schwimmst", sagt Alim Qasimov, "und es hört nie auf"; ein Leben im Mugham.
Mugham ist nicht einfach zu verstehen. Der Zuhörer muß sich zunächst einmal auf das Timbre, auf die Qualität der Stimme des Sängers konzentrieren; aber auch, wie diese in der Lage ist, Emotionen hervorzurufen. Und dann muß er auf die Linien der vorgetragenen Improvisationen achten und darauf, wie die Stimme diese bewältigt." Er muß sich ganz auf die Musik einlassen und erlebt dann, wie seine Phantasie auf Reisen geht, auch wenn er die vorgetragenen Gedichte nicht versteht.
Extreme Intensität und Konzentration machen den guten Sänger aus. Und Mugham kann, so die Überzeugung vieler Sänger, einen reinigenden Effekt sowohl auf den Sänger als auch auf die Zuhörer haben - "ich bin sicher, es kann sogar Kriminelle davon abhalten, Verbrechen zu begehen", sagt Alim Qasimov. Es gebe keinen Platz für Haß in einem Herzen, wenn Mugham gehört wird. Die Inhalte des Mugham wirkten direkt auf die Seele. "Jeder einzelne Ton ist Ausdruck elementarer Gefühle", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung über Alim Qasimov, "die grazile Schönheit und atmosphärische Dichte der Musik überbrückt Stunden wie Jahrhunderte, schafft Augenblicke der Ewigkeit." Und Le Monde schrieb: "Der Sänger muß Schmerz wie Ekstase fühlen, um sie überhaupt interpretieren zu können."
CD: Alim Qasimov Ensemble: The legendary Art of Mugham. (über Zweitausendeins)