Er ging zu Andrea Doria

Essay

Autor:
Tobias Roth
 

Essay

Er ging zu Andrea Doria - Die permanente Reform an den deutschen Universitäten

Es bräuchte etwas Ruhe. Eine Verschnaufpause im Staffellauf des Änderns, auch wenn deren nötige Länge schmerzlich ausgiebig ausfiele. Aber wie sollte sie im Angesicht des Alters und der Größe der universitären Organismen anders als ausgiebig sein? Der gordische Knoten liegt bereits zerfetzt auf dem Boden. Er wurde an der falschen Stelle zerhackt, und nun werden die Reste weiter und weiter malträtiert. Wir scheinen nach wie vor die Lemminge eines progressiven Geschichtsbildes zu sein. Offensichtlich glauben wir (nach wie vor!) das Nächste und Neue sei ein Fortschritt, wenn wir uns nur die so genannte Mühe geben. Dafür nehmen wir sogar das Kreuz auf uns, dass es genügt, wenn die „Leistungsträger“ behaupten und beteuern, sich Mühe zu geben, denn zukünftige Handlungen und Effekte lassen sich nunmal nicht bewerten. Nach wie vor rede ich nur von Universitäten: daher auch der bittere Ton, daher keine Fügung ins Unabänderliche. Denn gerade hier gibt es Formeln, die alt, einfach und gut sind. Die Universität braucht schlicht und einfach einen Haufen Geld, viele Menschen, viel Platz, viel Zeit, sie muss ihre Flügel bis in die Kindergärten ausbreiten, sie muss frei sein von Kirche und Staat, frei von der Wirtschaft (dieser Pseudokirche) und Militär (diesem Pseudostaat), voilà, schon hat man die Möglichkeitsbedingung einer wunderbaren Universität. Man könnte meinen, das könnte nicht so schwer sein; und die Entwicklungskosten für die neue Haubitze, die man sich kurz verkneifen müsste, wären so nicht nur in Kürze refinanziert, sondern vielleicht sogar tatsächlich überflüssig, weil das glücklich sich bildende Volk keiner Granate mehr ein Mandat erteilen würde.

Auf die Zeugenbank dieser so simplen wie großen Idee von Universität würde ich nicht einmal den in diesem Jahr so überanstrengten Herrn von Humboldt rufen: ich würde noch weiter in der Zeit zurückgehen – und stutze. Bin ich also so konservativ geworden? Bin ich in diesem ganzen resignierten Essay zu Andrea Doria gegangen? Als Student, der sich über die Kaputtreformierung der Universität erregt? Vielleicht bin ich dadurch in die Falle gegangen. Vielleicht hat die perfide Bildungspolitik der letzten Jahre damit ihr perfidestes Ziel erreicht.
 

zurück