Kolumne

Gaming mit Fiona — Gewimmel

Dieses manchmal den Gedankenkreis nicht ganz in den Griff kriegen / schlechte Laune / nicht raus wollen / Ratgeber sagt Achtsamkeitsübungen. Aber natürlich sollte man dafür raus / mindestens aus dem Fenster schauen. Aus dem Fenster schauen wird schwierig, weil Großstadt, Innenhof, Wand.

Erwachsene haben jetzt Ausmalbücher. Was war an denen eigentlich so geil, damals? Klar: Man kann das Harry Potter Hörbuch zum vierten Mal durchhören und hat was zu tun. Man ist konzentriert ohne dabei den Stress zu haben, was Produktives leisten zu müssen. Wie grafische Labyrinthe, Wimmelbücher, Wo ist Walter? Digitales Pendant (z.B.) Hidden Folks. Detailreiche schwarzweiße Illustrationen, verschiedene Level, in denen man bestimmte Figuren finden muss. Ich kenne dieses Spiel nicht, weil ich manchmal auf meine digital kompetente fünfjährige Cousine aufpasse, sondern weil eine befreundete Philosophin es mir empfohlen hat. Ich bin pleite und nicht bereit 10 Euro für so ein Spiel auszugeben, das weder eine Geschichte noch komplexe Spielmechanik hat. Beim Anspielen auf dem Tablet der Freundin habe ich dann trotzdem Spaß. Wegen des niedlichen Sounddesigns, der liebevollen Gestaltung. Aber: kein Spiel, das mich den Rest des Abends davon abhält, an der Konversation teilzunehmen.

Irgendwann finde ich Morphopolis. Es ist nicht so teuer, getaggt mit Point'n'Click, wahnsinnig bunt, viele Insekten, klingt gut für einen Regentag oder so. Als ich es anspiele stelle ich fest, dass es auch hauptsächlich so ein Wimmelbuchspiel ist. Ich höre schnell wieder auf, weil, ganz im Ernst, alleine in meinem Zimmer sitzen und Wimmelbuch gucken, das fühlt sich irgendwie ineffizient an. Ich ärgere mich ein bisschen. Bis ich dann irgendwann mit schlechter Laune zu Hause sitze. Ich habe eine Absage von irgendwas bekommen, mit dem ich eigentlich fix gerechnet habe, ich hatte einen schlechten Arbeitstag, allgemein ist grad nicht so gut, aber ich schaffe es grade auch partout nicht, mich aufzuraffen, eine Runde im Park spazieren zu gehen o.ä., echt nicht, Essen ist eh auch noch da. Ich scrolle so durch meine Steam Library, ich kann mich aber auch nicht so gut konzentrieren, d.h. ich weiß genau, dass ich jetzt kein extrem narratives Spiel spielen (oder Buch lesen) kann, ich hab einfach keinen Nerv, die meisten Spiele hab ich eh schon gespielt, die anderen haben solche Triggerwarnungen, dass ich sie heute nicht spielen mag. Ich öffne also Morphopolis und fange an, bei Level 1, und das ist schon mal ein guter Start: Die Musik ist wahnsinnig einlullend. Ich bewege eine Spielfigur, die in jedem Level ein anderes Insekt ist durch eine farbenfrohe Blumenlandschaft, suche dabei immer bestimmte Äste, Blütenblätter, Früchte, um eine Aufgabe zu lösen, weiterzukommen. Das alles hängt nicht großartig narrativ zusammen, aber so weit, dass ich mich drauf einlassen kann.

Man spielt das Insekt, das am Ende jeden Levels in ein anderes größeres Insekt kriecht und das größere Insekt spielt man dann im nächsten Level. Manche der Sammelaufgaben muss man lösen um ein Hindernis zu überwinden, z.B. einmal, als man genug Käferbeine finden muss, um eine Maske zu bauen, mit der man an einem furchteinflößenden Hirschkäfer vorbeikommt, weil er glaubt, man sei auch einer. Das trägt mich so durchs Spiel. Trotzdem bleibe ich hauptsächlich an Kleinigkeiten hängen, in der Grafik, die sehr viel mit Bilderbuchillustrationen gemein hat, in ihrer Farbigkeit, in ihrer Linienführung. Musik zwischen Harfen und Kontrabass, aber auch so Vogelschreie und Insektengeräusche, viel Summen. Naturzugang für Städter in geileren Farben und drinnen.

Fixpoetry 2018
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge