Kolumne

„Meine Esther/Mi Esther“

Im Herbst 2017 wurde Esther Andradi mit ihrem Buch „Mein Berlin. Streifzüge durch eine Stadt im Wandel“ („Mi Berlín. Crónicas de una ciudad mutante“) in das Goethe Institut Barcelona eingeladen. Die Dichter Rodolfo Häßler und Kathrin Schadt leiteten diesen Abend mit ein paar Worten zu Esther Andradis Schaffen ein.

Kathrin Schadt über Esther Andradi und ihr Buch „Mein Berlin“ (der Originaltext ist auf Spanisch erschienen und wurde für Fixpoetry ins Deutsche übersetzt).

Version en castellano más abajo.

(c) Esther Andradi

 

Statt heute Abend über Esthers Biografie und von ihren vielen literarischen Erfolgen zu sprechen, würde ich, die ich Esther schon länger persönlich kenne, heute gerne aus dieser persönlichen Perspektive heraus erzählen. Ich habe deshalb, angelehnt an ihre Berliner Reportagen (Crónicas) „Mein Berlin“, die sie uns heute mitgebracht hat, einen kleinen Text über sie geschrieben, eine Art „Chronik“ zu unserer Freundschaft und meinen ganz eigenen Blick auf ihre Arbeit in „Mein Berlin“:

„Meine Esther/Mi Esther“

Das erste Mal traf ich Esther Andradi in einem unserer Salons, in den Christian Ingenlath und ich mehrmals im Jahr Autoren, Künstler, Musiker, Schauspieler zu einem von uns ausgewählten Thema einladen. Auf einer dieser ersten Veranstaltungen 2009, in Berlin Schöneberg, war plötzlich auch Esther Andradi, die mir später erzählte, dass sie dort vielmehr zufällig gelandet war, da sie in der Nähe lebte und etwas von einem Kultursalon gehört hatte und neugierig geworden war. An diesem Abend lernten wir uns noch nicht kennen, aber schon wenige Wochen später organisierten wir den nächsten Salon, diesmal mit dem Thema „Buenos Aires/Berlin“ und ich hatte herum gefragt, wer zu diesem Thema außerdem zum Lesen geeignet wäre. Timo Berger war es, der mir daraufhin Esther Andradi empfohl: “Klar, zu diesem Thema müsst ihr sie einladen“. Also tat ich das. Es war das erste und nicht das letzte Mal, dass ihre Texte unseren Salon bereicherten. Und an diesem Abend begann dann auch unsere Freundschaft.

Es kann passieren, dass Esther und ich Wochen, manchmal Monate oder Jahre nicht sprechen oder uns begegnen. Und dennoch bleibt da immer diese Verbindung zwischen uns, zwischen zwei Welten, ihrer und meiner, zwischen der deutsch- und der spanischsprachigen. Dazwischen eine neue Welt, ein stetig wachsendes Pflänzchen, dem Samen entsprungen, der an diesem Abend in unserem Salon gesäht wurde, immer weiter genährt von unseren Worten, Texten, Übersetzungen, Treffen, Briefen und Projekten.

Esther übersetzte Gedichte von mir ins Spanische und ich half ihr mit Übersetzungen ins Deutsche. Seit einiger Zeit schreibt Esther für unsere Monatskolumne und lässt einen Francisco del Puerto aus Buenos Aires fiktive Briefe an eine Madame Schoscha in Barcelona schreiben. Eine Art Zwiesprache zwischen diesen beiden Städten und ihren kulturellen und alltäglichen Begebenheiten. Diese Briefe erscheinen ebenfalls auf spanisch und auf deutsch und ich erinnere mich an lange Diskussionen, wie ein Wort oder ein Ausdruck aus der einen in die andere Sprache übersetzt werden könnte, wie wir uns annäherten, Wort um Wort, Buchstabe um Buchstabe, um uns irgendwo in der Mitte dieser beiden Sprachen wieder zu finden, um etwas Neues zu schaffen. Zwei Alchimistinnen, auf der Suche nach dem Schatz eines übersetzten Textes. Gold schürfend.

Es entstand und entsteht eine schwer zu beschreibende Verbindung zwischen diesen Sprachen, zwischen meinem Deutsch und ihrem Spanisch, aber auch zwischen meinem Spanisch und ihrem Deutsch. Und zwischen den beiden Welten, in denen diese Sprachen zuhause sind, in unserem Fall zwischen Buenos Aires, Berlin und heute auch Barcelona.

Esther hat in der Vergangenheit eine Anthologie herausgegeben, die genau davon spricht, von dem “in einer anderen Sprache leben“ („vivir en otra lengua“). Etwas, dass heute auch Teil meines Lebens geworden ist, da ich als Deutsche in Barcelona lebe, auf deutsch schreibe, auf spanisch (und englisch) spreche und katalanisch höre und lerne. Ich habe aber dabei das Gefühl, dass dieses „in einer andere Sprache leben“ dabei kein Zustand, sondern vielmehr ein Prozess ist, den ich auch an Esther beobachten kann. Mit der Zeit verbinden sich der Ausländer und seine Wahlheimat nach und nach - und auch hieraus erwächst etwas Neues, das wiederum Einfluss auf diese beiden Ursprungswelten nimmt, sie formt und im besten Falle nachhaltig verändert. Verbessern kann.

Es entsteht also beim Aufeinandertreffen des Ausländers mit seiner Wahlheimat wieder etwas Neues, wie zum Beispiel Esthers Reportagen in „Mein Berlin“, die sie uns heute mitgebracht hat. Diese Texte, in einer anderen Sprache und mit neuem Blick, aus einer anderen Perspektive heraus geschrieben, sind Spiegel, die eine Gesellschaft nicht in der Lage ist, sich auf diese Weise selbst vorzuhalten. Und deshalb unersetzlich. So wie der Tierhändler in Esthers Buch über einen seiner Papageien sagt: „Jeden Tag um zwölf setze ich den Papagei vor einen Spiegel - diese Vögel brauchen Gesellschaft.”

Esther Andradis Berliner Reportagen, aus denen sie heute lesen wird, erinnern mich dabei an mein Leben hier in Barcelona, wie ich durch die Straßen wandelte und immer noch wandere, mit dem Blick von außen, der Abenteuer einer fremden Welt einsammelt. Dass ist es, was in Esthers Texten geschieht, sie hat der Stadt Berlin ihre alltäglichen Abenteuer von den Ästen und Wurzeln abgesammelt. Ihre Texte sind für mich dabei Fotografien einer langen Reise in einer fremden Welt, aus einer unerwarteten Perspektive heraus aufgenommen. Sie vereinen das alltägliche Leben, die Realität, mit diesen kleinen, magischen Momenten, die in eben dieser Realität nicht so recht ihren Platz finden wollen. Magische Momente, die von den Berlinern nicht (mehr) wahrgenommen werden. Vielmehr besitzt Esther Andradi das feine Talent und das Auge, “den einzigartigen Blick/”La mirada única” wie einer ihrer Texte heißt, um aus der Realität die alltägliche Magie herauszuschälen.

Die Reportagen sind für mich, die ich viele Jahre in Berlin gelebt habe und diese Stadt sehr vermisse, wie Ausflüge im Geiste, durch die Berliner Straßen streunend, die sich täglich und doch niemals ändern. Esthers Berliner Texte lesen, ist wie nach Hause kommen.

Esther sagte einmal (wie es Timo Berger zum Poesiefestival 2017 in Berlin beschrieb und von mir in diesem Absatz aufgegriffen), dass sie „von unterirdischen Tunneln träume, die Berlin mit Buenos Aires verbinden, um schnell zwischen beiden Metropolen hin und her wechseln zu können.“ In Wahrheit aber, hat Esther solche Tunnel längst selbst mit ihren Texten geschaffen. „In denen sie darüber nachsinnt, was auf diesen Passagen verloren geht, aber eben auch, was dabei gewonnen wird.“

***

En otoño 2017 el Goethe-Institut Barcelona invitó a Esther Andradi y su libro „Mi Berlín. Crónicas de una ciudad mutante“. Los poetas Rodolfo Häßler y Kathrin Schadt introdujeron este evento. El texto de Kathrin Schadt sobre Esther Andradi y su libro “Mi Berlín”:

“En lugar de hablar de la biografia o de la obra de Esther Andradi, yo, que la conozco personalmente, prefiero hablar de ella desde una perspectiva más personal. Así que he escrito un pequeño texto sobre ella, casi como una pequeña crónica, como las crónicas de Berlín que nos ha traído hoy. La crónica de nuestra amistad y mi perspectiva de su obra:

Mi Esther

La primera vez la encontré en unos de los eventos culturales que organizo en Berlín, llamados “Salón de Cultura Madame Schoscha” en el que invitamos dos a tres veces al año a escritores, artistas, músicos, actores de todo el mundo a presentar una obra suya referente a un tema, que elegimos nosotros. En unos de estos primeros eventos en 2009, en Berlín Schöneberg, de repente estaba Esther Andradi, que después me contó, que estaba allí más por accidente, porque vivía cerca y escuchó algo de un evento cultural. Esa noche todavía no hablamos, pero unas semanas después organizamos otro Salón con el tema “Buenos Aires/Berlín” y pregunté a mis amigos artistas a quién podía invitar a leer aquella noche. Y  uno de ellos, Timo Berger, me dijo: “Ay, claro, hay que invitar a Esther Andradi con ese tema, obvio.” Y así lo hice. Fue la primera vez que sus textos enriquecieron nuestro Salón. Y desde allí empezó una amistad afectuosa, bella, libertina.

A veces no hablamos y no nos vemos durante meses o años. Pero sigua siempre esa conexión entre los dos mundos, el mío y el suyo, el mundo alemán y el mundo castellano, y en el medio, un mundo nuevo, creciendo como una plantita joven, de una semilla plantada aquella noche en nuestro Salón y nutrida con nuestras palabras, nuestros textos y traducciones, encuentros, cartas y proyectos entre ambos mundos.

Esther tradujo poemas míos y yo le ayudé con textos suyos. Hace rato Esther también es parte de mi columna mensual que se publica en Fixpoetry en Alemania, son cartas ficticias de todos los lados del mundo, como Berlín, Barcelona, Nueva York, y Esther escribe cartas de un ficticio Francisco del Puerto, de Buenos Aires, a una ficticia Madame Schoscha en Barcelona. Es un intercambio de la vida cultural y cotidiana de esas ciudades. Esas cartas también salen en alemán y castellano y me acuerdo de discusiones de como traducir a una palabra o una expresión de un idioma al otro, como nos acercamos palabra por palabra, letra por letra, para encontrarnos en el medio de esas dos lenguas para crear algo nuevo. Dos alquimistas transformando o más bien buscando el tesoro de un texto traducido. Extraer oro virgen.

Creció una relación entre dos mundos, entre dos áreas lingüísticas, entre mi alemán y su castellano, pero también entre mi castellano y su alemán. Y entre los sitios en donde estos idiomas están en casa, entre Buenos Aires, Berlín, y ahora también Barcelona.

Esther editó una Antología que habla de éso, del “vivir en otra lengua”. Algo que ahora también es parte de mi vida, porque vivo como alemana aquí en Barcelona y escribo en alemán, hablo en castellano (y inglés) y escucho y aprendo al catalán. Pero tengo la sensación que el acto de “vivir en otra lengua” no es una condición, es un proceso, lo noto también en Esther. Con el tiempo ese proceso combina el mundo de la persona extranjera con el mundo nuevo en que vive. Se unen poco a poco y de eso crece algo nuevo, que entonces es parte de los dos mundos, que da forma a los dos mundos, y que tiene la posibilidad de cambiar estos dos mundos también. Crece algo nuevo, como por ejemplo también estas crónicas de Esther, que nos ha traído hoy. Y estos textos, escritos en otra lengua, con una mirada diferente y desde afuera, con otra perspectiva, son tan ricos para cada sociedad, son tan importantes, porque son espejos para cada sociedad que no es capaz de verse a sí misma de esa manera. Como dice el dueño de una pajarería sobre su loro en una de las crónicas de Esther Andradi: “Todos los días a las doce, pongo el loro una hora frente al espejo, son pájaros que necesitan companía.”

Las crónicas de Esther Andradi de Berlín, que va a leer hoy, me recuerdan mucho de mi vida aquí en Barcelona, como anduve y todavía ando por estas calles, con una mirada de afuera, que colecciona aventuras nuevas de un mundo desconocido. Y eso pasa en los textos de Esther, ella reunió las aventuras diarias de Berlín. Sus textos para mí, son como fotos turísticas de un viaje largo a un mundo extraño y de perspectivas inesperadas. Sus textos para mí, combinan la vida cotidiana, la realidad, con momentos mágicos que no cuadran con esa realidad. Momentos mágicos que la gente en la vida cotidiana normalmente no percibe más. O más bien, Esther Andradi tiene el talento, la sensibilidad y el ojo “La mirada única”, como se llama uno de sus textos, para extraer la magía cotidiana de la realidad.

Las crónicas de Berlín para mí, que viví muchos años allí y que lo extraño mucho, son como excursiones mentales, deambular por las calles berlinesas, que cambian cada día – pero nunca cambian. Leer las crónicas es como volver a casa.

Un día (como contó Timo Berger en el poesiefestival Berlin 2017) “Esther dijo, que está soñando con un túnel subterráneo que conecte Berlín con Buenos Aires, para poder viajar rápidamente entre los dos mundos. La verdad es, que Esther ya creó este túnel con sus textos, donde reflexiona lo que se pierde en esos pasajes pero también lo que se gana.”

 

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