Die Lyrik Roberto Blancos
Als Lyriker ist man allgemein bekannt (und wird in Sippenhaft genommen) dafür, den Unterhaltungscharakter einer Veranstaltung stark einzuschränken. Deshalb war ich auch nicht zuerst gefragt worden, sondern der Veranstalter fragte einen Bekannten, ob er noch einen Autor kenne, der gut auf der Bühne könne, worauf er einen Autor nannte, der aber nicht konnte, der wiederum meinen Freund Roman Turban (Namen leicht geändert) fragte, der aber auch nicht konnte und der deshalb mich fragte, ob ich an seiner statt wolle. Ich sage das völlig frei von Gekränktheit, denn ich wurde sehr freundlich, als ob ich gewollt gewesen wäre, von dem Moderator Andreas Holz im Nightclub des Hotel Maritim am Timmendorfer Strand in Empfang genommen.
Bevor ich in Empfang genommen werden konnte, mußte ich vom Bahnhof zum Maritim Hotel gelangen und ich entschied, dies lieber zu Fuß zu tun, da ich mir nicht sicher war, ob auch die Taxikosten vom Veranstalter übernommen werden und ich mich finanziell nicht übernehmen wollte. Also schulterte ich meine Reisetasche, was mir zwei Tage lang Schulterprobleme einbringen sollte – anstatt eines Honorars. Außer Bahnfahrt und Verpflegung war nämlich nichts weiter drin. Es handelte sich um eine Charity Veranstaltung, bei der normalerweise die B und C Prominenz auf der Couch sitzt und auf ihre Gage für einen guten Zweck verzichtet, während ein Kurpublikum, das dafür Eintritt gezahlt hat, sich von diesem Anblick etwas erhofft. Obwohl ich als Lyriker, wenn überhaupt, nur zur Z-Prominenz gehöre, durfte ich mich in einer Reihe wissen mit abgehalfterten Sängern, Volksschauspielern und Dschungelcampbesuchern. Eva Herman war auch schon zu Gast.
Das Hotel ist ein hoher, weißer Betonbau aus den goldenen Siebzigern, der nicht zu verfehlen war, auch wenn man es versucht hätte. Ich trug meine Tasche mal auf der linken, mal auf der rechten Schulter, überquerte einen riesigen Parkplatz und trat in den einzigen aufgeweichten Kaugummi in diesem ansonsten vorbildlich müllberäumten Kurbad. Er klebte nicht nur unter der Sohle, sondern auch seitlich am Leder meines einzigen vorzeigbaren Paars Schuhe. Das ist kein Witz. Das ist die bittere Schuhrealität eines Lyrikers. Mit einem Papiertaschentuch versuchte ich die langgezogenen, sofort mit dem Oberleder amalgamierenden Fäden zu entfernen. Dann hielt ich das Taschentuch mit Kaugummi in der Hand und gleichzeitig Ausschau nach einem öffentlichen Mülleimer. Anscheinend rechnet man in der unmittelbaren Umgebung des Maritim Hotels nicht mit dem Wunsch, etwas Abfallartiges loszuwerden. Ich warf das Taschentuch in einen Busch der begrünten Kuranlage und hoffte, daß die schachspielenden Rentner mich nicht dabei ertappten. Sie spielten mit hüfthohen Figuren, die sie über ein vier mal vier Meter großes Feld trugen, was dem sonst eher bewegungsreduzierten Schach eine kurrelevante Dimension verlieh. Durchgeschwitzt erreichte ich das Entrée des Hotels. Als ich auf den Marmorfußboden trat, war mir, als ob die Sohle auch ohne Kaugummi leicht kleben bliebe. Direkt vor mir stand ein langer, über Eck gehender Rezeptionstresen, seitlich plüschige Sessel, Sofas und kleine Glastische. Gegenüber der Rezeption hing, chinarestaurantbunt, ein Gemälde, einen berittenen Drachentöter darstellend. Ich fragte die junge, strenggekämmte Dame an der Rezeption, wo denn der Moderator Andreas Holz zu finden sei. Gleich dort, durch diese Tür bitte, verwies sie mich, und ich kam in einen schummrig belichteten, niedrigen Raum, mit dreieckigen Spiegeln an den Wänden und runden in Rudeln zusammengestellten Sesselchen. Ganz hinten gelangte man über zwei breite Stufen hinauf zur Bar. Im großen Mittelteil des Raums war eine Bühne, auf der ein Sofa stand, daneben ein Stuhl und ein kleiner Tisch, auf dem wiederum eine weckerartige Stoppuhr stand, und auf der Bühne Andreas Holz und seine Ko-moderatorin. Sie, ein großes, Magersüchtigkeit vermuten lassendes Mädchen, mit einem nicht mehr aus dem Gesicht zu entfernenden Lächeln. Er strahlte mich auch sehr freundlich an. Backstage, wurde mir gesagt, konnte ich meine schwere Reisetasche abstellen.
Dann wurde mir der Ablaufplan erklärt. Ich war ja nicht der einzige Autor des Abends. Sieben weitere Autoren und Autorinnen, die ausnahmslos, denn ich war die Ausnahme, aus der ehemaligen Bundesrepublik stammten, die hier am Timmendorferstrand immer noch zu existieren schien, würden die Lesung mit mir bestreiten. An vierter Stelle, so Andreas Holz, würde er mich auf die Bühne bitten, mich kurz interviewen und dann hätte ich sechs Minuten Zeit, meine Texte vorzulesen. Nach sechs Minuten würde er die Uhr stoppen, das sei augenfällig für das Publikum und diene dem zeitlichen Rahmen des Abends. Achtzehn Uhr sei ein Salatessen im ersten Stock geplant.
Bis dahin war noch Zeit. Ich verließ das Entrée in Richtung Seeseite. Sanfte Wellen rauschten heran und der Hotelbau, sobald er im Rücken steht, konnte diesem Anblick nichts anhaben. Bei aller Verbautheit dieses Küstenabschnitts, wenn man konzentriert aufs Wasser blickt, mit den Händen noch ein bißchen das Sichtfeld einschränkt, kann man das für ein paar Sekunden vergessen. Am Strand gab es eine Strandlounge, in dem die Gäste Sekt mit Meerblick genossen. Daß die Seebrücke nicht begehbar war, irritierte mich allerdings. Mitte Juni und die Schäden des Januarsturms immer noch nicht bewältigt. Hätte es das früher hier gegeben? Ich schaute auf die Uhr. Zeit, mich dem Salatbüffet zu nähern.
Ich hatte mir natürlich Üppigeres erhofft als Salat, wenn es schon kein Honorar gab. Im Entrée traf ich Andreas Holz wieder und die Autorenkollegen, die sich rechtzeitig zum Essen eingefunden hatten. So unterschiedlich wir waren, in der Entlohnungsbereitschaft, und sei es in Naturalien, glichen wir uns. Nach kurzer Begrüßung und erstem Beäugen gingen wir hoch. Der Speisesaal ist auf den Begriff Eierschalenweiß zu bringen. Die Seitenwände sind zum Teil vollverspiegelt. Tisch an Tisch reihte sich auf. So ziemlich in der Mitte nahm ich vor Weißheit der anderen Dinge anfangs gar nicht den warmweißen UdoJürgensFlügel wahr (später um so mehr, als so ein Typ drauf rum klimperte). Auf den Tischen standen goldene Lampen mit milchglasigen Schirmen. Der Blick aus den Fenstern ist mit Seeblick treffend benannt, so heißt das Hotel schließlich. Der ganze Raum glich dem Zwischendeck auf einem Kreuzfahrtschiff. Freunde der Fernsehserie „Das Traumschiff“ kommen hier auf ihre Kosten. Als kritischer Geist, der um so kritischer wird, je geringer das Honorar ausfällt, kam ich auf meine Kosten, indem ich das Ganze als Alptraumschiffatmosphäre bezeichnete. Ich saß in abgeschubbelten Courthosen und T-Shirt am Tisch, betrachtete die verschiedenen Bestecke vor mir, das Tellerchen mit Brötchen und einem Stück Butter drauf, samt Streichmesserchen, und fragte mich, wozu diese Bestecke gut sein sollen, wenn wir nur Salat essen, eine Gabel hätte doch gereicht. Ich folgte mit meinem Teller den anderen zum Salatbüffet. Diverse Schüsseln mit geraspeltem oder in Scheiben und Stückchen zerkleinertem Gemüse standen da, zum Glück auch Wurst und Käsestreifen. Es gab vier verschiedene Sorten von Dressing, rote Bohnen und Linsensalat, Oliven, Rucola und Blattsalat, gehäckselte Radieschen und geschredderte Möhren und alles konnte man sich auf den Teller legen, wobei die Kombination der Zutaten nicht wenig über den Kombinierer verriet. Ob er ein Kenner der geschmackvollen Salatkombination war oder jemand, der sich den Teller mit Wurst und Käsestreifen voll häufte und zur Garnierung noch ein paar Radieschenschnipsel darüber streute. Damit ging ich zurück an meinen Platz, schnitt das Brötchen auf und aß. Der Autor mir gegenüber hatte auch von dem Sushi genommen, ich erkannte ihn, er ist ein erfolgreicher Autor beim C.H.Beck Verlag. Ich bin beim Mitteldeutschen Verlag und mit den Wurststreifen gut bedient. Neben mir saß eine ältere Autorin mit rotgefärbten Haaren. Auch der Mund war sehr rot. Während des Essens zog sie ihn mehrmals rot nach, so daß er nichts von seiner Röte einbüßte. Es stellt sich heraus, daß sie die Autorin des GROßEN BENIMMBUCHES war. In den ersten vier Sekunden entscheide sich, welchen Eindruck wir auf jemanden machen, meinte sie. Da kann ich ihr nur Recht geben. Sie gab auch Motivationskurse auf Kreuzfahrtschiffen. Zu was mußte man motiviert werden auf einer Kreuzfahrt? Ist es nicht die Gelegenheit, einmal völlig unmotiviert in einem Liegestuhl aufs Meer zu schauen. Zumindest scheint dieser Motivationskurs etliche Leute zu motivieren, Geld für einen Motivationskurs auszugeben. Kaum hatte ich meinen Wurst und Käsesalat aufgegessen, kam ein Kellner herangeschnipst und nahm mir den Teller weg. Ich hätte das Bedürfnis haben können, mir einen Salatnachschlag zu holen. Dieser Gedanke wurde unterbrochen von einem weiteren Kellner, der mir einen Teller mit Spätzle und einer Art Gulasch (der sich dem Alter der Hotelgäste entsprechend als extrem salzarm entpuppte) hinstellte. Jetzt war klar, wozu das Besteck da war und sich die andern so wenig vom Salat aufgetan hatten. Mein Lohn stand vor meiner Nase und ich war satt. Denn vom Büffet hatte ich mir ein zweites Brötchen mitgenommen, um den Abend zu überstehen. Ich stocherte im Gulasch herum, der die Wortsilbe lasch verdiente, und salzte kräftig nach. Dann setzte ein dezentes darmtätigkeitsunterstützendes Klavierspiel ein. Ein Medlay aus Evergreens. Der Mann am Klavier war, was nicht mehr verwunderte, mit einem weißen Anzug bekleidet. Er tauchte unauffällig auf, spielte, und verschwand irgendwann wieder hinter dem Dekor. Applaus hätte mich, und wahrscheinlich auch ihn, nur blamiert.
Zwanzig Uhr war die Lesung angesetzt. Andreas Holz meinte, im Vergleich zum letzten Showtalk seien die Vorbestellungen sehr gering ausgefallen. Die schlechte Statistik liege wohl am Fußballweltmeisterschaftsspiel Frankreich gegen Mexiko, gegen das wir heute antreten mußten. Ich denke, es lag an Roberto Blanco, der im letzten Showtalk aufgetreten war. Eine Veranstaltung, die „Acht erfolgreiche Autoren lesen im Showtalk“ hieß, konnte gegenüber Roberto Blanco so erfolgreich sein, wie Nordkorea gegen Portugal. Immerhin wurde ich als Lyriker zu einem erfolgreichen Autor umetikettiert. Die Idee mit den acht Autoren sei übrigens eine spontane Idee gewesen, weil eine andere Veranstaltung ausfallen mußte. Ich war also die dritte Wahl bei einer Veranstaltung, die eigentlich nie stattgefunden hätte. Ich befand mich demnach in einer hochunwahrscheinlichen Situation, und hätte ich bei meinem Soziologiestudium besser in Statistik aufgepaßt, könnte ich sogar die Wahrscheinlichkeit dieser Unwahrscheinlichkeit ausrechnen. Ich fragte Andreas Holz, wie es mit den Freigetränken aussehe. Selbstverständlich seien die Getränke für die Autoren frei, sagte er. Das hob meine Stimmung etwas. Das Publikum, ab sechzig aufwärts, besetzte mäßig die Clubsessel. Die Autoren hatten zwei Tische für sich. Ich bestellte erstmal ein großes Bier. An meinem Tisch saß wieder die rothaarige Benimmbuchautorin, die ihre Hände um ihren Hals gelegt hatte, wegen der Klimaanlage. Sie fürchte, ihre Stimme könne versagen. Wir schwiegen und das war mir auch ganz recht. Mit am Tisch saß eine Krimiautorin, die neben sich einen Papierbeutel mit geschätzt zwanzig Exemplaren ihres neuen Krimis dabei hatte. Damit konnte sie an jeden Gast mindestens ein Exemplar verkaufen. Ich hatte zehn Exemplare meines Gedichtbandes in meiner Reisetasche mitgeschleppt. Ich würde es auf dem Rückweg nicht leichter haben. Nun ließ der Mann an der Technik eine Begrüßungsmelodie laufen. Das Moderatorenduo betrat die Bühne. Sie hatte ein weißes Glitzerkleid an und er einen dunklen Anzug. Es wäre auch umgekehrt in Ordnung gewesen. Sie hätte so intelligent gewirkt, wie sie tief in ihrem Inneren womöglich ist und er seine femininen Seiten noch stärker betonen können. Ich trank meinen ersten Schluck Bier, was mich versöhnlicher stimmte. Ich würde gleich auf die Bühne treten in einem Ambiente, das den Charme eines Puffs aus den späten Siebziger versprühte. John Travolta hätte hier auftreten können, Udo Jürgens war hier aufgetreten, und Roberto Blanco ist es im letzten Monat, und wenn Rex Guildo noch lebte, er würde noch kurz vor Lebensschluß versucht haben, sein Lied von dieser Bühne zu singen. Gleich würde ich dort Gedichte vortragen. Doch vor mir war die Benimmbuchautorin dran. Sie hatte einen neuen Ratgeber geschrieben, der im August erscheinen wird: „Zweiundfünfzig Verträge mit dir selbst“. Ich hatte danach immerhin einen Vertrag mit mir selbst: Lese kein Buch mit dem Titel „Zweiundfünfzig Verträge mit dir selbst“. Als nächstes kam ein Journalist auf die Bühne, der aus Texten seiner überflüssiges Wissen verbreitenden Wissensradiosendung ein Buch gemacht hat.
Hier möchte ich kurz innehalten und geloben, weitere kolumnistische Blutgrätschen gegen meine Kollegen vermeiden zu wollen. Am Ende denken Sie als Leser noch, ich sei unsympathisch, womit sie nicht ganz unrecht hätten.
Also weiter. Gefragt danach, wie es zu dem Buch kam, sagte der Journalist, ein Verlag sei an ihn herangetreten. Immerhin war es nicht seine Idee. Nach ihm kam die erste der drei Krimiautorinnen auf die Bühne. Solide Kost, von der sie als freie Autorin gut zehren kann. Ich überlegte mir, was ich antworte, wenn ich gefragt werde, wie es zu meinem Buch gekommen ist. Zum Beispiel: Der Verlag sei auf mich zugekommen und wollte mit meinen Gedichten unbedingt ein Buch machen. Ich habe erst abgelehnt, mich dann aber durch die Höhe des Honorars überzeugen lassen.
Oder die traurige Wahrheit. Man muß als Lyriker Schmerzensgeld an den Verlag zahlen, daß man bei ihm veröffentlichen darf. Das hätte geklungen, als wolle ich Mitleid erheischen. Und damit soll man nicht übertreiben.
Eine Autorin dieses Abends schrieb sogenannte Gourmetkrimis und über mangelnde Nachfrage in den Kurbadbuchhandlungen dürfte sie nicht zu klagen haben. Überhaupt war mir um die Existenz der drei, mir gegenüber sehr freundlich gestimmten, sympathischen Krimiautorinnen des Abends nicht bange (als junger brotloser Lyriker wäre man als Beischläfer einer reifen Gourmetkrimiautorin sicher nicht unwohlgelitten). Ich bitte um Zuschriften!
Ein Autor, der Geschichten über die Regionalhistorie Schleswig-Holsteins verfaßte, war auch eingeladen worden. Zwei Tage nach unserem Auftritt wurde das Abschlußfoto, auf dem wir alle zu sehen waren, im Internet veröffentlicht. Darunter standen unsere Namen und in einem Wort das, was wir sind. Mir hatte man immerhin das Attribut „Jung-Autor“ zugebilligt. Der Mann mit den Regionalgeschichten war der Mann, dessen Attribution sich darauf beschränkte, ihn einen Schleswig-Holsteiner zu nennen. „Herr Soundso, der Schleswig-Holsteiner“. Nicht einmal der „schreibende“ Schleswig-Holsteiner, was ein Hinweis darauf gewesen wäre, daß er neben seinem Dasein als Schleswig-Holsteiner auch schreibt. Möglicherweise klänge das aber noch schlimmer, beinah wie schreibende Hausfrau.
Als letztes kam ein Mann auf die Bühne, dem als einzigen der acht Autoren die Bezeichnung Schriftsteller zugestanden wurde. Das war der Sushi verspeisende C.H.Beck Verlag Schriftsteller. Er las, weil die Veranstalter sich für den Literaturabend lieber etwas Lustiges als Literatur erbeten hatten, eine Kolumne vor. Überhaupt habe ich mich gewundert, wie jemand, der beim C.H.Beck Verlag veröffentlicht, dazu kommt, ohne Honorar an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen. Selten unterstelle ich Großzügigkeit. Und ja, es kann nur eine Antwort geben. Er schreibt eine Kolumne darüber. Wer über diesen Abend keine Kolumne schreibt, obwohl er von sich behaupten kann, er sei dabei gewesen, dem ist nicht zu helfen. Ihm war zu helfen, man kann sie nachlesen im Internet und mit meiner vergleichen. Seine Kolumne ist um die Hälfte kürzer. Diesen Vorteil hat sie zumindest. Und ich bin immer noch nicht fertig. Weil mir als Lyriker aus der Provinz der Mund über geht, denn ich erlebe nicht viel. Mein Leben fließt eintönig dahin. Und zum Schluß muß ich noch etwas zu meinem Auftritt sagen. Den kann ich ja nicht verschweigen. Als Anmoderation las die Ko-moderatorin wortwörtlich meine Vita vom Zettel ab, die ich im Internet zur Verfügung stelle. Also: „1997-2004 Studium der Soziologie und Politikwissenschaft. Abschluß als Magister Atrium. 2005 Beginn einer promooschen. Seit 2000 im Sog Hallischen Dichterkreis vorlesend.“
Ich brauchte einen Moment, bis ich den Sog des Hallischen Dichterkreises als die Abkürzung von sogenannt deuten konnte. Den „Vorhof-Magister“ war ich schon gewohnt. Daß ich aber seit 2005 weder Zigaretten noch Was-auch-immer promotet habe, daß ich überhaupt nichts, aber auch gar nichts mit proomoschen zu tun haben will, soll hiermit klargestellt sein. Ich promoviere! Das heißt, ich halte in meiner Vita an meiner Promotion fest, die ich im richtigen Leben leider längst fallengelassen habe. Als ich nach vorne ging, wollte ich diese Fehltritte allerdings nicht aufklären. Die Ko-moderatorin auf ihre akademische Unbedarftheit hinzuweisen, hätte mich nicht sympathischer gemacht. Und dann habe ich auch noch den Lyrikerschwanz eingekniffen und keine Gedichte vorgelesen, sondern ebenfalls eine Kolumne. Was Lustiges eben. Wie gewünscht. Ich fühlte mich in diesem Moment als der Roberto Blanco unter den Lyrikern.
Es bleibt mir zu hoffen, daß meine Fahrtkosten auf mein Konto überwiesen werden, bevor diese Kolumne erscheint.
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