Schwarzfahrerin des Schicksals
Der neuste Druck des bibliophilen Künstlerbuchverlags Corvinus Presse ist ein Gedichtband von Brigitte Struzyk mit dem Titel was immer. Zur Besprechung liegen Teile der "Volksausgabe", die ersten beiden separat gedruckten Abteilungen vor, die, vorab gesagt, Neugier wecken auf das in Kassette lieferbare Monument. Struzyk, Jahrgang '46, ist seit Jahrzehnten eine aufmerksame, wie präzise Chronistin im Gedicht, die sich auch als Herausgeberin verdient ist. In was immer und dem Teil kreuz und quer, handgebundenen Sinnesheften, sucht die Dichterin eher das "Beiläufige", das "Auf der Fahrt" Befindliche als das Festnageln eines Momentums oder das Ausrufezeichen hinter der Metapher. Ihre Gedichte, meist kurze, vignettenhafte Kärtchen spielen mit ihren einfachen Mitteln Umbrüchen und Verschiebungen, ohne die große Geste zu beschwören.
Umsonst vorher
Bei ach so wolkenlosem
Hoch alles total
Ihre Schilderungen von, könnte man sagen, Schildern, treffen ziemlich genau in Sachen Stimmung und Anruf.
Wolfsburg
Das Ufer begradigt
Die Steinkante beißt die Ebene leer
oder aus "In Zossen":
Zossen bleibt einfach hängen,
von Klängen verschlossen.
Struzyk lässt sich durchaus aufs Wortspiel ein, ruft Eichendorff auf und ist nicht auf eine einzige Tonlage reduzierbar. Wo kreuz und quer sicherlich den Orten gewidmet ist, Stationen oder Spaziergängen, geht was immer in die Gefühlslage, beschäftigt sich ruhig aber klipp mit der Innenschau. "Wunder", ein Gedicht "Für Karl-Georg Hirsch", "dass es sich so gleichen würde / immer wieder neu sein könnte", konfrontiert sie auf der gegenüberliegenden Seite mit "Der Herbst hirscht in den Winter": "Da packt es dich / Ich warte".
Struzyks melancholisch zurückhaltende Gedichtgebilde gehen durch die Zeiten. Eines der unbetitelten Gedichte (aus was immer) lässt an Lütfiye Güzels Stimmungsbilder denken:
Ich mache es wie alle andern,
die es genauso machen wie ich
kein Erfolg,
umsonst auf eine Antwort gewartet,
der übliche Stuss,
ich fahre zu IKEA.
Übersichtlichkeit
Und Menschen
Nichts als Menschen
Der Corvinus Band beziehungsweise das Gesamtpaket in Kassette was immer scheint ein großer Wurf zu sein, vielleicht eine Summa. Ausgehend von der "Volksausgabe" bleibt dies zwar eine Schätzung, doch bei vorliegender Qualität wohl kein Wagnis. Brigitte Struzyks Reise geht weiter.
***Brigitte Struzyk / was immer
Gedichte, mit einer zweifarbigen Radierung und
vier Linolschnitten von Sabine Herrmann, 82
Seiten, 22 nummerierte und signierte Exemplare.
Handgebunden und mit Kassette von Stefan Cseh.
Corvinus Presse 2019
300 Euro
Fixpoetry 2019
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