Der Winter vergeht recht hübsch
Post-Gothic steht auf dem Umschlag. Ja, da ist was dran bei Johann der Posthume von Jason Schwartz. Diaphanes' Reihe forward fiction gibt experimenteller Literatur einen Platz außerhalb der reinen Literaturkunstverlagshäuser, und hier hat man es mit einem vollkommen unzuordnenbaren Text zu tun. Gewiss, er kann als Poem gelesen werden. Handlungslos, im Prinzip ein Album aus mehr oder weniger Gothic angetouchten Bildern, aber mehr auf der Ebene der Worte selbst. Eine Liste verhafteten Vokabulars vielleicht, das Schwartz zum Thema Schmerz, Folter, Haus und Familie verwebt. Wären da nicht zusätzlich die vielen eingeschobenen Anti-alles Momente, die Bestiarien, die Werkzeuge und die Lesart von Betten und Türen als Werkzeuge einer eben Stimmung, namens G.
Es gelingt dem Autor sofort, eine Lesebeziehung zum Text aufzubauen, Leckerlis ab dem ersten Satz, schräge Verbindungen, unerwartete, wenn nicht abrupte Assoziationen und ernsthafte Spracharbeit, wie es Gedichten innewohnt. Das Hauptproblem ist eher die Ironie und die direkten Ansprachen. Jene Lesebeziehung ist schnell nicht mehr im Neugiermodus eines Entdeckers, sondern dem eines abgeklärteren Erwarters, und die Durchquerungen jener Erwartungshaltung packen einen nicht mehr an den Zotteln, sondern irgendwo sehr entfernt.
Dies vorausgesetzt, also ein mildes Album statt eines Trips, schafft es Johann der Posthume, der an Blanchots Thomas-Buch erinnert, ziemlich effektiv, einige großartige Bilder nebeneinanderzuschalten. Scheinbar mühelos strahlt der Text Leichtigkeit aus, die von der Schwere des Vokabulars konterkariert wird. Ein Neon-Friedhof der Kuschelfliege etwa.
Einst war es Brauch, alle Namen aufzulisten, die Namen der Heiligen und der Martyrien, und die Familiennamen und dann die Namen der Orte, in jeweiliger Reihenfolge, von einem Ende zum anderen – nach der Art, wie man Gegenstände auf einem grauen Tisch anordnet oder graue Gegenstände in ländlicher Landschaft.
Das Buch ist in Aufmachung, Sprache und Gestalt auf jeden Fall ein cooles Ding. Dennoch schieben sich die Untertöne fast klar und glatt in die Erzählzone rein. Etwas ist faul im Düster.
Man sagte vom Teufel, er sammle Schmähungen in einem Einmachglas, so bizarr das jetzt auch klingen mag. Sein Wappentier ist die gespaltene Krähe – ein Vogel in zwei Teilen – auf rotem Grund. In den Volkserzählungen setzt er das Gesicht eines traurigen Mannes auf. Satan wartet im Inneren eines gewissen Wortes – oder mit einer Familie an einem Treppenabsatz.
[...]
Krähe ist ein altes Gesellschaftsspiel, bei dem sich die Familie vor dem jüngsten Sohn versteckt. Für Hausspatz braucht man ein Kind, etwas Bindfaden und zwei Vögel.
Lass sie dort einen Moment stehen. [...]
Dein Vater erledigt die Schnitzerei.[...]
Hausspatz spielt man auf dem Land, an Sonntagnachmittagen, bei Totenwachen und dergleichen. Krähe endet in einem dunklen Zimmer.
[...]
Der Torpfosten, in unserem Fall, verrottete zuerst.
Eine Pforte ohne Schloss kann – im juridischen Sprachgebrauch – als Gefahrenort begriffen werden. Das kreischenden Quietschen von eisernen Gattern – das war, davon gehe ich aus, das große Geräusch des 18. Jahrhunderts. Gleichwie das große Geräusch des 19. Jahrhunderts das brennende Haus war.
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