Hommage an Samuel Beckett
In ihrem Nachwort beschreibt die Autorin Jo Baker ihre Faszination von der Literatur Samuel Becketts. Von ihrem Literaturprofessor aufmerksam gemacht auf den entscheidenden Wandel in Becketts Schreiben, den die Kriegsjahre markieren, ist ihr Roman nun der Versuch, diese Zeit zu rekonstruieren und einen Zugang zu Becketts literarischem Werk zu bieten.
Die Handlung der Romanbiographie umspannt also die Jahre 1939 bis 1946. Im ersten Teil, betitelt mit „Das Ende“ erlebt man einen passiven Jungschriftsteller, der von einer Schreibblockade in die nächste gleitet. Zu Hause in Irland fühlt er sich beengt und kommt bei seiner literarischen Arbeit nicht weiter. In seiner Wahlheimat Paris bietet sich jedoch das gleiche Bild. Hier führt er mit der Pianistin Suzanne eine Beziehung, in der sie stets bemüht ist, ihn liebevoll zu umsorgen und ihm gleichzeitig den so nötigen Freiraum für seine Arbeit zu geben. Umso größer ist die Enttäuschung, als sie erkennt, dass seine Notizhefte nur mit Krakeleien gefüllt sind.
„Das einzige Ergebnis ist offenbar, dass er Tinte verbraucht hat, Papier und Zeit. Was denkt er sich eigentlich dabei? Warum kann er nicht einfach schreiben? Warum kann er nicht einfach weitermachen? Sie fühlt sich, als hätte man sie für dumm verkauft.“
Neben all diesem nehmen bereits beängstigende politische Entwicklungen ihren Lauf, es wird von Krieg gesprochen, Deutschland besetzt immer mehr Gebiete und Freunde treiben davon.
„Sie, die ohnehin schon entwurzelt sind, werden von Winden verweht und durcheinandergewirbelt. Sie kommen und gehen; nie weiß man, wer wo ist.“
Unter der Besatzung Deutschlands erkennt Beckett, dass er nicht mehr untätig sein kann und schließt sich dem Widerstand an. Was nun folgt, ist ein Leben in der ständigen Angst, entdeckt zu werden, sowie schließlich die Flucht nach Südfrankreich in die unbesetzte Zone.
Eindrucksvoll schildert die Autorin diese Zeit der Entbehrungen und der Angst. Der Leser erlebt, was der Krieg anrichten kann, wie Familien zerstört werden, aber auch, wie Menschen in derartigen Extremsituationen über sich hinauswachsen können. Inmitten einer Zeit voll Hunger, Angst und Kälte wird etwas in Beckett freigesetzt, das ihn plötzlich schreiben lässt und ihm wird klar, dass das Schreiben für ihn existenzielle Bedeutung hat.
Auch wenn Jo Baker mit Ein Ire in Paris freilich keine Biographie vorlegt, die rein historischen Tatsachen folgt, sondern ihrem Roman auch eine Portion literarischer Phantasie beimischt, ist er sicherlich ein guter Tipp für jene, die einen Zugang zu seinem Leben und Werk suchen.
„In Stille und Einsamkeit schlägt er sein neues Notizbuch auf. Der Füller wandert übers Papier. Tinte färbt das Blatt blau. Worte nehmen Gestalt an. Das ist er: der Beginn.“
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