Grenzwertige Ereignisse
Was sind Grenzereignisse? Insofern Ereignisse im Deutschen etymologisch Eräugnisse sind, sind sie tautologisch: Was sich ereignet, stellt die Grenze in Frage, lokal oder – in der Definition – die Begriffslogiken betreffend.
Und genau darum geht es im Band Elsewhere, Within Here von Trinh T. Minh-ha, aus unerfindlichen Gründen mit englischem Titel erschienen. Die Autorin stammt aus Vietnam und wanderte 1970 in die Vereinigten Staaten ein, wo sie Komposition, Musikethnologie und französische Literatur studierte und sich bald einen Namen machte, sie forscht und lehrt derzeit an der University of California, Berkeley, und an der San Francisco State University.
Schon die Vita hat mit Grenzen also zu tun – und Grenzen heißen hier: daß „Unterdrückung” stattfindet, und zwar, das ist die Crux, auch im Text, der zum Beispiel von ihr berichtet. Dabei wird in einer Umkehr „Einwanderung […] willkürlich mit Terrorismus verknüpft”, als würde nicht, und das exkulpiert noch nicht den Terror als eine Reaktion, zunächst der Terror darin bestehen, daß Mobilität ein Privileg ist. Was aber ist Freiheit? – „Zeigst du mir eine 50 Fuß hohe Mauer, zeige ich dir eine 51 Fuß hohe Leiter.” Das betrifft auch die Unwirksamkeit der Ausschließung dessen, was Terror ist, die „höhere[n] Dosis Angst”, die daraus spricht, ist eigentlich ein Erfolg des Terrors.
Was aber hilft? Alterität oder andere Verortung, und zwar in dem, was man sei und vertrete, Integration also, die nicht Assimilationszwang ist und damit gerade nicht integrierbare, entgegengesetzte Intergierer hervorruft … der Haßprediger als Spiegelung des Ressentiments Europas kurzum. „Rezeptivität” als „zweipolige Bewegung” dagegen gestattete mehr, nämlich dem, der nicht mehr integrativ und inkludierend verfährt, ein „Aufleuchten” oder „Erblühen” des Gegenübers als eines „Nicht-Wissens.” Mit Deleuze/Guattaris Tausend Plateaus formuliert Minh-ha, es gehe um „eine transversale Bewegung, die in die eine und die andere Richtung geht.”
Solche Bewegung entwirft und aktualisiert der Band, der sensibel ist und sensibilisiert: für das, was es zu denken gilt, wenn Denken nicht nur tautologisch oder Herrschaftspraxis ist.
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