(was der Himmel kann kann ich schon lange)
Bei Rodneys Underground Press ist ein neuer Böke erschienen. Streng nach unten weisend, methodefrei und gewohnt schlagfertig, verdrischt Urs Bökes Das kleine Äffchen Heimat, was vor Sinnen gerät. Doch handelt es sich nicht um bloße Kraftlyrik oder Fluchen im Umbruch, sondern um punktgenaues Einreißen von Jetzt-Bildern. Natürlich findet sich "mach ein Bier auf und bleibe naturnah", warum sollte das im Abstraktum stattfinden? Und das Interessante bökescher Gedichte ist, das man sie selbst beginnt, wie Bier zu lesen, und noch eins und noch eins und irgendwann verschiebt sich etwas.
Die Nabelschnur zerfetzt
Restblut auf Laken
der erste Gedanke:
Ich bin hier falsch
Der Verzicht auf Geläufigkeiten, Längen, Metaphern, die Beschränkung auf das Knappe und das zutiefst Menschliche in jeder Zeile lassen einen direkt teilhaben an diesem Schauen turned Schreiben. Es sind die Bilder, die Eindrücke, die Stories, die konkreten Scheißen von hier, aber auch die übersehenen Schüsse von Fenstern, Stickern und weggeworfenen Gegenständen, deren Wege Böke rekonstruiert. Sein Kaleidoskop erinnert nicht umsonst an ein Kneipenwand-Palimpsest, wir waren hier, und wir auch und dies auch, und die und die nicht mehr, aber sie waren mal... Ein Festhalten weltiger Momente derer, die jetzt noch tiefer drin stecken oder schon zersetzt sind.
Man liest raue, widerständige Verse, Resignationen, "während andere / behaupten, dass du / ganz fest fixiert gehörst" und beiläufig festgestellte Agendas:
Sein Testament
liegt geschrieben
in einer Kladde
es besteht allein
aus einem Wort:Miet
preis
bremse
oder:
der letzte Bürger des Landes
mit einem Schnürsenkel offenAuf dessen rechter Schulter
das kleine Äffchen Heimat sitztUnd braune
Scheiße kackt.
Böke hütet sich vor Überziehern oder übermäßigen Zuschreibungen, etwas ist giftig und lebensfeindlich, es scheint groß und überall zu lauern. Ergreift Besitz von Menschen wie Dingen, sicher ist man davor nicht. Niemand. Nirgends. Ko-Insassin Lütfiye Güzel hat aus Bökes Vokabeln ein Cut-up erstellt/ eingesprochen, das sich als neue Stimme über das zuvor gelesene legt und Teil hat am konkreten Verschiebungsprozess, den die Gedichte befeuern, und dies Bökisch für sich selbst sprechen lässt. Mehr Nachwort geht nicht.
Noch einmal im Original:
SCHWEINEHUND NIRGENDWO
Endlich die Sprache
hinter dir lassen
kein Wort verstehen
Inhalte überwindenIm Hier und Jetzt
nichts reden
nichts hören
die Atmung seichtEndlich die Fragen
hinter dir lassen
niemals mehr antworten
und die MenschenÜberwinden.
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Kommentare
Urs Böke Heimat
Gera O
ich gehe durch die Stadt in der
ich aufgewachsen bin, geh die
alten Wege, auf meiner Schulter
sitzt das kleine Äffchen Heimat
mal auf der rechten, mal auf der
linken, flüstert mir Erinnerungen
ein und manchmal beißt es mir
ins Ohr
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