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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Ausrücken mit Modellen

Hamburg

Der Berliner Alexander Gumz ist für seinen ersten Gedichtband ausgezeichnet worden. Seine Gedichte seien "wie Songs aus der unmittelbaren Gegenwart", urteilte die Jury.  Kulturamt Stadt Heidelberg

kookbooks hat einen eigenartigen Stand im Literaturbetrieb. Einerseits werden bei dem 2003 von Daniela Seel gegründetem Verlag Bücher veröffentlicht, die mehr als nur Achtungserfolge einfahren. Andererseits stehen die Autorinnen und Autoren auch in der Kritik, die sich vor allem daran reibt, man habe es mit einer Art exklusiven Verein zu tun, der – viel schlimmer noch – sich regelmäßig untereinander die Literaturpreise zuschieben würde. Zur Diskussion stellen lässt sich vielleicht, dass Daniela Seel ihr Debüt im eigenen Verlag veröffentlichte, zugleich zum ersten Band von Alexander Gumz, der unter anderem die hauseigene Lesereihe KOOKread betreut.  So oder so – kookbooks, das scheint in der Wahrnehmung vieler ein Kollektiv zu sein. Dass die Autorinnen und Autoren, die da gerne über einen Kamm geschert werden, keinem poetischen corporate design zum Opfer fallen, sollte man also noch einmal unterstreichen. Homogenität sollte man lieber in den einzelnen Bänden suchen – die übrigens durch die ebenso ins Auge stechenden wie intelligenten Illustrationen von Andreas Töpfer immerhin rein äußerlich etwas gemein haben. In Alexander Gumz' "ausrücken mit modellen" wird man eben diese Homogenität finden.

Allein schon formal sind die Texte Gumz' sehr ähnlich beschaffen: Die Strophen der Gedichte weisen, bis auf vereinzelte, allein stehende Schlussverse, immer die gleiche Anzahl von Zeilen auf. Zumeist sind das Zweierpaare, manchmal tauchen drei, seltener vier Zeilen im Verbund auf. Majuskel sind in den Gedichten nicht zu finden. Die formalen Wiedererkennungseffekte ziehen sich in Versen fort, die von Gedicht zu Gedicht mit stellenweise sehr ähnlichen Formulierungen arbeiten: "die leinwand wirft blasen" heißt es an einer, "die haut des schachbretts / schlägt wellen" an anderer Stelle. Bestimmte Wendungen, ähnlich konstruierte Bilder und Metaphern, einzelne Wörter finden sich immer wieder, sind über die Gedichte verteilt und tauchen hier und dort wieder auf, als Reminiszenz an bereits Gelesenes. Das geht über die inhaltlichen Ähnlichkeiten, die die sieben Kapitel im Einzelnen zusammenhalten, noch hinaus. Und wenn man Gumz' Lyrik nun berechtigterweise eine Homogenität und damit auch eine innere Geschlossenheit des Buches attestiert, wirft das durchaus ein Problem auf.

Denn so poetisch sauber die Gedichte gearbeitet sind, so glatt können sie stellenweise wirken, so gleichförmig im Blick aufs Ganze. Die Ruhe, mit der Gumz Abstraktes in Bilder transformiert, die Sorgfältigkeit, mit der er durchdachte Formulierungen ineinander verzahnt, lässt sprachliche Agilität, etwas mehr Mut zum Experiment, kurz: Ecken und Kanten vermissen. Nicht, dass das zum Kardinalvorwurf – der nur ein subjektiv geprägter sein könnte – gereichen könnte, denn die bildliche Dichte der Lyrik Gumz‘ ist beeindruckend, hier mal von einer Melancholie geprägt, die dort ironisch oder gar zynisch aufgefangen wird, die politische Themen subtil verarbeitet und sich angenehm im Hintergrund hält. Da scheint das „wir“, das in fast jedem Gedicht zu Wort kommt, schon überflüssig, scheinbar willkürlich durch ein Ich, ein Du oder ein Ich und ein Du ersetzbar. Die Gedichte benötigen eigentlich kein erlebendes Personal als Stimmungsbarometer. Die Bilder entladen sich schlußendlich von ganz allein, in resignativen Punchlines, die „kein update weit und breit“ erkennen lassen. Vielleicht das Manifest einer Generationen, die sich mit der eigenen Passivität konfrontiert sieht: „wir lehnen an der grenze zum gewitter, / schütteln die köpfe. //  unter unseren füßen / dehnt sich der steg.“ oder „den ganzen tag über nichts getan / als an irgendwas zu glauben, oder aber „nachrichten / werden zurechtgebogen, in uns eingeführt“

Der Apathie haben sich die Texte jedoch keineswegs verschrieben: „natürlich fordern wir den oscar! / für unsere statisten auch. // aber ist das grund genug zu desertieren, / sobald die abwehr kurz mal grinst? // wir wollen einfach jede stunde / die position der gräber durchgesagt bekommen.“ Bei bloßen Lamenti hört das nicht auf, die Handlungsbereitschaft ist noch nicht erloschen. So ist „ausrücken mit modellen“ ein Gedichtband, der sprachlich vielleicht glatt daherkommt, auch mal mit hippen Popreferenzen und Anglizismen etwas strapazieren mag, seine Stärken jedoch an anderer Stelle voll ausspielt. In einer Farbenfrohheit, die einen Kontrapunkt zur Tristesse setzen.

Alexander Gumz
ausrücken mit modellen
Nachwort: Antje Rávic Strubel, Illustration: Andreas Töpfer
kookbooks
2011 · 88 Seiten · 19,90 Euro
ISBN:
978-3-937445441

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