Anzeige
ostra-gehege Zeitschrift für Literatur und Kunst
x
ostra-gehege Zeitschrift für Literatur und Kunst
Kritik

Landungen im „Zimtgeäst“ der Sprache

Annette Hagemanns risikoreichen Gedichte

Jeder kennt Zimt: Duftend, feinfarbig, leicht rau, sinnlich.  So kommen die Texte der Annette Hagemann auf Buchstabenbeinen angezeichnet. Zudem überraschend und oft „raschelgrün“. Schon der erste Text, die erste Verswort Überschrift, „türkiserteich“ (glänzend!) lässt frohlocken und gibt den Kurs vor: vergnügliches Lesen, Reisen durch wohlriechende schimmernde Textlandschaften, bei denen man gern an den von Hagemann bereitgestellten, leicht zu erreichenden Aussichtspunkten anhält. Denn wer geht nicht gern auf Treppen aus „kletterndem Lachen“ gebaut (Mein Lieblingsvers!) hoch zu einem „Leben, das sich wie von selbst lebt“; vor allem: „wir werden es sehen am Tag“.

Lichtaussicht. Sonnengottregie. Das Tempo: schrittweis, aber nie taktlos. Ganz im Gegenteil.  Andante voll Herzschlag und Ethos in mal lichtleichter, wolkenfeuchter Lyrik, mal in kleinenGeschichten von unausgesprochener Liebe und kinderaltem Leben im Gedichtzimmer. Es wird verwandelt und geleuchtet, vor allem das Letztere, in frischfremdem Kleid. Ich freue mich: neue Bilder, ja!, große Gefühle, Lieder von der Sehnsucht, fein und offen

Dabei sind sie nicht pessimistisch, die Töne, gar böse, nein,es geht meistens gut aus; vor allem sprachliche Landungen im Zimtgeäst sind Hoffnung sprechend, trotz sternensägender Bedrohung, die kurz aufflackert, dann aber wieder ins sinnliche Vergessen geschubst wird. Trotz getrennter Wege, die man eben manchmal einfach gehen muss. Schließlich wischt der „Himmelsquast den Staub“ im Text. Voll Glanz, aber zuweilen traurig verklingt er. Doch im „dunkel einer sagenhaften Schachtel“ hab‘ ich entzückend Unerwartetes gefunden.
Vielen Dank!

schlafforschung

da doch das schlafen und dösen
die frieden schaffendsten maßnahmen
die zufrieden stellendsten formen des lebens sind
befassen sich wissenschaftler und menschen mit der frage
welche temperatur in den zellen die günstigste ist
von welcher beschaffenheit das mauerwerk und der schnee
sein müssen um störgeräusche zu dämpfen
wie viele sofas und sessel in einem abgedunkelten raum stehen
und wie lange man zähne putzen muss um zu verschwinden
stößt man in der nacht an die grenzen des erlebbaren
durchdringt man den ständigen krieg
und schreitet sogar fort über die ränder der erde
was soll man da eines tages
täglich wieder erwachen?

Annette Hagemann
streit mit dem sonnengott
Illustrationen: Ricardo Cortez
Wehrhahn
2009 · 80 Seiten · 12,00 Euro
ISBN:
978-3-865250940

Fixpoetry 2011
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge