Die verschwundene Frau
Polizisten haben in der Türkei nicht gerade das beste Image, Emrah Serbes' Kultfigur Behzat C. mal ausgenommen. Theoretisch hat Süreyya Sami, der Protagonist der Romane von Barış Uygur, also einen schweren Stand. Krimis aus Bullen-Perspektive haben ein gewisses Geschmäckle, auch und gerade wenn sie erstmal als harmlose Unterhaltung daherkommen. Aus dieser Bredouille befreit der Autor seine Hauptfigur allerdings binnen weniger Seiten. Süreyya ist ein sympathischer Losertyp, der stets etwas zerzaust durch die Gegend läuft, ein furchtbar schlechtes Händchen bei Krawatten und Frauen hat und politisch rundum desinteressiert ist. Er geht nicht zur Wahl, sind ja ohnehin alles Betrüger.
Und er ist ja kein Bulle mehr, nur noch Ex-Bulle, nicht zuletzt weil ihm bei seinem Job immer wieder das eigene Gewissen in die Quere kam. Was nicht heißen soll, dass er nicht auch mal Gefangene vermöbelt hat, wenn ihm grad danach war oder die Vorgesetzten es so wollten. Und dass er auch jetzt noch aufgrund seiner guten Verbindungen zum Revier überall eine Vorzugsbehandlung erhält und beispielsweise beim Frisör oder beim Krämer keinen Kurus zahlen muss, stört ihn auch nicht weiter. Obwohl es nicht ganz legal ist, verdingt er sich in Uygurs Debütroman „Rendezvous auf dem Friedhof Feriköy“ als Privatschnüffler. Als der Fußballjournalist Kemal Deren ihm eine stattliche Summe anbietet um seine Frau Deniz zu finden, sagt er nicht nein.
Kemal glaubt an eine Entführung, doch schon die ersten Indizien machen Süreyya stutzig. Der Frühstückseinkauf und die Info, Deniz Cengiz Deren sei offenbar freiwillig mit mehreren Männern in ein Auto gestiegen, passen nicht so ganz zu der Story. Und auch Deniz' Freundin Emel scheint mehr zu wissen, als sie auf den ersten Blick preisgibt. Dass Süreyya sich auf denselben Blick in sie verliebt macht die Sache nicht unbedingt besser. Und als ihn seine Ermittlungen schließlich in zwielichtige Kneipen in Istanbuls Rotlichtviertel führen, ahnt er, dass nichts ist, wie es scheint.
Uygurs Krimi ist nicht allzu komplex, die Handlung verläuft geradlinig und die falschen Fährten, auf die der Leser gelockt wird, sind genretypisch nicht allzu schwer zu durchschauen. Dennoch schafft er es, einen mit kleinen Überraschungen und unerwarteten Wendungen bei Laune zu halten, so dass der geneigte Krimileser durchaus seinen Spaß haben wird an einem Buch, das deutlich aus der Masse ähnlicher Stories herausragt. Alle anderen erfreuen sich an den gut gezeichneten Figuren und den bissigen Seitenhieben auf Polizei, Politik und Gesellschaft in der Türkei – dort war Uygurs Debüt übrigens ein beachtlicher Erfolg. Drei Auflagen binnen weniger Monate, und ein weiterer Roman um Detektiv Süreyya Sami erschien noch im selben Jahr.
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