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Kritik

Human‘s world

Beatrix Langner exekutiert „Die 7 größten Irrtümer über Frauen die denken“, und dann?
Hamburg

Dieses Buch ist ein großes Vergnügen und ein großes Rätsel, dabei trägt es seine Botschaft sehr offenherzig mit sich herum, die Verwunderung nämlich, was sich Männer, intelligente Männer zweifelsohne, haben einfallen lassen, um Frauen niederzumachen, abzuwerten, zu diskreditieren, als abhängig, unselbständig, unterwürfig, als minderwertig und bemitleidenswert auszuzeichnen. Die Begegnung mit solchem Unsinn in Virginia Woolfs Essay „Ein Zimmer für sich allein“ kann man immerhin noch damit abtun, dass wir es dabei mit hinreichender Vergangenheit und außerdem mit jenen mediokren Vertretern der offiziellen Männlichkeit zu tun haben, die in den 1920er Jahren noch die Universitäten bevölkert haben, die sich zudem in ein hoffnungsloses Abwehrgefecht verstrickt gefühlt haben. Männer von gestern eben.

Aber nun kommt Beatrix Langner und lässt die Männlichkeit aller Zeitalter sich in ihrer misogynen Selbstherrlichkeit präsentieren. Und das hat es dermaßen gepfeffert in sich, dass man sich vor allem für sein Geschlecht schämt, das sich anscheinend nicht zu blöd für so etwas ist, so schlau es sich ansonsten auch gerieren mag.

Hand aufs Herz, dass die Russen jetzt ihre Frauen im Interesse des Familienlebens verprügeln dürfen und sie sich auch noch was drauf einbilden, hat man ihnen eh zugetraut. Dass das bislang verboten war, hat sie ja auch nicht davon abgehalten. Auch dass die Gewaltherrschaft des Patriarchen als einer der wichtigsten Pfeiler des Anspruchs Russlands auf Respekt ist, kommt als ziemlich archaisches Konzept daher. Wer so denkt, bei dem nimmt man an, dass er schlecht von seinen Frauen denkt und schreibt, und hebt er sie noch so in den Himmel.

Aber selbst die biss- und zahnlosen Kerle des westlichen Abendlandes haben sich bei der Bewertung des Weiblichen nicht zurückgehalten – man mag darin den Versuch sehen, die Reste der vergangenen Herrlichkeit noch zu bewahren. Aber dazu zieht sich das Phänomen dann doch zu sehr durch alle Zeiten und alle Männergesellschaften.

Klar, das ist insgesamt eine ziemlich eurozentristische Sache. Asiatische oder afrikanische Denker und ihre Sicht auf Frauen spielen in Beatrix Langners „Plädoyer für die Lust sich seines Geistes zu bedienen“ (so er Klappentext) keine große Rolle. Aber da wir nun mal in good old Europe sind, ist das ja auch in Ordnung.

Sieben Irrtümer sind es, die mit Frauen, die denken, zusammenhängen, schreibt Langner. Und da die Sieben eine ehrwürdige Zahl ist, die ziemlich viel Bedeutung mit sich herumträgt, wird man das als runde Sache hinnehmen. Todsünden gibt es immerhin auch sieben.

Den Auftakt gibt der Irrtum, dass „Frauen, die denken, Männer“ sind. Dann folgt, dass „Frauen, die denken, göttlich“ sein wollen, was immerhin als hinreichende Steigerung durchgeht. Dann werden die denkenden Frauen „gefährlich“, „unsexy“, „Egoistinnen“ und „schlechte Mütter“ (et vice versa?). Ist sie soweit gekommen, denken Frauen, die denken, dann wenigstens „anders“ und deshalb dürfen sie – als letzter Irrtum – dann auch gleich „die Welt retten“.

Dass das alles Irrtümer sind, werden hinreichend viele Leute teilen, und nicht nur deshalb, weil es vernünftig ist, das zu denken. Denn immerhin ist das Organ, mit dem Männer und Frauen denken, gleichermaßen ein Gehirn. Der Umstand, dass das weibliche Geschlecht ein Organ, das ihm mit Geburt gegeben ist, verwendet, lässt es nicht das Geschlecht wechseln. Und macht sie auch nicht göttlich. So hoch sollte man das Denken auch nun wieder nicht hängen, Irrtümer inbegriffen. Denkende Frauen sind wohl kaum gefährlicher als denkende Männer, und was das nun wieder mit der Attraktivität zu tun hat, bleibt wohl ein ewiges Rätsel. Auch Akademikerinnen können attraktiv sein, man glaubt es kaum. Wenn Menschen denken, können sie auf dumme Gedanken kommen, aber egoistisch macht ein Lebenskonzept, das in unserer Kultur recht weit verbreitet ist, und das aus gutem Grund (mit denken hat das in jedem Fall nichts zu tun). Das mit den schlechten Müttern lassen wir mal beiseite, das ist nicht minder unsinnig wie der angebliche Zusammenhang zwischen gutem Sex und großer Dummheit. Frauen, die denken, denken allein deshalb schon anders, weil jeder, der denkt, anders denkt als sein Nebenmann und seine Nebenfrau oder auch irgendetwas Drittes. Und die Welt lässt sich weder durch die neue Mütterlichkeit noch durch Egoismus retten, sondern nur durch überlegtes und konzertiertes Handeln von Menschen, Konzernen und Staaten. Über das Geschlecht der letzten beiden Entitäten lässt sich nur rätseln.

Mehr oder weniger ist das auch die Botschaft, die Langner auf ihren gut 230 Seiten verbreitet, dabei mit sichtlichem Vergnügen die männlichen Selbstdemontagen zitierend – wenngleich, einige weibliche gesellen sich mit der Zeit auch dazu.

Problematisch ist ihr fulminanter Essay aber dadurch, dass er Zeiten und Zeitalter, aber Kontexte in einer Weise ignoriert, dass es einem den Atem raubt. Da wird dann irgendwie alles zum Symptom der immergleichen Krankheit, der permanenten männlichen Misogynie. Dabei fällt dann eben unter den Tisch, dass sie immer auch zeitbedingt und zeitlich funktional begründet war. Nicht im Sinne der besseren Funktionalität einer Gesellschaft, aber immerhin im Kontext von innergesellschaftlichen Verhältnissen.

Klar, das bürgerliche Familien- und Liebeskonzept, das aus dem 18. Jahrhundert stammt und im frühen 19. Jahrhundert noch ein bisschen romantisch überhöht wurde, dient auch dazu, Frauen ihren Platz im neuen System anzuweisen. Immerhin – siehe bürgerliches Trauerspiel – sind sie es ja auch, die als Spielfeld dienen müssen und am Ende die ganzen Verluste auf sich nehmen müssen. Aber dieses Konzept übernimmt eine zentrale Rolle bei dem bürgerlichen Projekt, die gesellschaftliche Deutungshoheit vom Adel zu übernehmen.

Und solche Überlegungen wären sicher auch für die Antike, das Mittelalter, die frühe Neuzeit und die Moderne sinnvoll. Und das nicht nur, um dem Kaleidoskop der misogynen Textpartikel, die diesen Essay füllen, ein wenig mehr Struktur zu geben oder zu erklären, wie Mann so denken kann (das muss ja auch nicht immer mehr sein), sondern auch klarer herauszuarbeiten, wohin denn die Reise gehen soll, wenigstens, soweit dies Frau Langner meint. Und das hätte dieser reizvolle, anregende und kundige Text mehr als verdient. Allein schon deshalb, weil er ungemein unterhaltsam ist.

Beatrix Langner
Die 7 größten Irrtümer über Frauen, die denken
Matthes & Seitz
2017 · 236 Seiten · 22,00 Euro
ISBN:
978-3-95757-337-7

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