Apocalypse, not now
Resilienz, von lat. resilire, abprallen – ein Begriff der Psychologie, der inzwischen Karriere macht, bis hin zu einem eigenen Reclam-Bändchen, das nun Brigitte Schäfer vorlegt.
Dieser Terminus benennt die Eigenschaft, Traumata zu verarbeiten, und zwar inklusive solcher, daß einen milieugeschädigte Eltern erziehen, sadistische Lehrer unterrichten und therapiebedürftige Psychologen betreuen, Resilienz meint also: Die Umwelt verschuldet viel, aber man hat eine Chance, und zwar die, die man ist. Und nein, Resilienz bagatellisiert damit nicht, was an Sozialisierung geschehen sollte.
Die Idee ist älter, als „Salutogenese” begegnet man ihr etwa bei Antonovsky. Der Geschichte und dem Potential von Begriff und Theorie geht in der Folge die Verfasserin nach. Was stresst den Menschen, wieviel davon ist zuträglich, ab wann soll abprallen, was einem widerfährt?
Und hier wird in der Tat auch Sozialkritik formuliert: „Schöne neue Arbeitswelt”, das klingt nach Becks Risikogesellschaft und zeigt, daß zwar einerseits der Streß heute eingehegt ist (keine Höhlenbären, die einen aus dem Unterschlupf jagen oder in den ihrigen zerren, keine schwedischen Gäste wie im 30jährigen Krieg, …), aber auch permaniert: Dauernd ist etwas los. Notfalls auch die Apokalypse, werden die Atomkriegszenarien auch gerne ausgeblendet.
Aber vor allem sorgt sich die Psychologie dann doch darum, wie man sich anpassen könne, wie besonders resilient werden. Und nach einer Tabelle, die einem einen Eindruck von seiner Resilienz gibt – ihr zufolge müßte ich mir nur noch die „Sinnfragen” abgewöhnen, um quasi unsterblich zu werden –, geht’s dann auch in die Forschung.
Mit dieser werden günstige Konstellationen durchgearbeitet, um die man sich bemühen könne, darunter auch Humor, notfalls „Galgenhumor” – und dazu gibt es immer wieder Zitate von Viktor Frankl, wobei leider die Nachweise fehlen, das könnte man an dem Band generell monieren, mag es auch Programm der 100 Seiten-Reihe sein, flott und kompakt zu sein. Fast gestreßt.
In Summe: ein solider Band. Man wird in die Begriffsgeschichte der Resilienz eingeführt, mit aber auch praktischem Nutzwert für jene, die vielleicht nicht nur aus theoretischem Interesse zu diesem Buch greifen.
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