Gedichte als Rückzugsort
Der 1978 in Wiesbaden geborene Autor und Literaturwissenschaftler Christophe Fricker ist ein weitgereister Mann. Schon seine Studienjahre brachten ihn nach Namibia, Freiburg, Singapur, Halifax, Oxford sowie Durham und die Gedichte seines neuesten Bandes beziehen sich auf Menschen und Orte in Kanada, den USA und England.
Für seinen 2008 erschienenen Gedichtband Das schöne Auge des Betrachters erhielt er den Hermann Hesse Förderpreis 2009 und für seine Reiseessays den Merkur-Essaypreis 2007. Promoviert hat er über Stefan George und heute betreibt er neben zahlreichen anderen Tätigkeiten das Expertennetzwerk „Nimirum“.
Über seine Gedichte schreibt Christophe Fricker selbst bescheiden: Diese kleinen Texte sind mein Versuch, etwas über unsere Welt zu sagen. Und dies macht der Autor, indem er in vielen Zeilen innehält, Augenblicke hervorhebt oder hektische Momente distanziert von außen betrachtet.
So heißt das erste Kapitel, das sich auf die im Titel versprochene Party bezieht, bezeichnenderweise Das Fest in der Kühle oder auf Englisch noch besser Cool Party. Da ist von einem maßlosen Portal die Rede, das Wort Ich immer angestrahlt, fast geblendet.
Anhand kleiner Details gelingt es Christophe Fricker gut die Atmosphäre eines Festes zwischen Banalitäten und überraschenden Bekanntschaften zu beschreiben:
Auf ausgeklügelten Empfängen
versprühen wir Überhörbares.
Anbrandende Bekanntschaften
brechen sich am kalten Büffet.
Ich tauche in seichte Konversationen
mit großen Zügen und reißemein Herz gleich auf. Wie ich heiße,
fragt er, und scheinbar, ob es sich lohne
sich freizuschwimmen, von denen wegzugehen,
die’s doch nicht in mein Adressbuch schaffen.
Wir wären dann lang zusammen,
wir voneinander Ungestörten.
Überhaupt handeln viele Gedichte Frickers von Begegnungen, sowohl mit Fremden als auch mit Freunden. Stets schaut der Autor mit seinem lyrischen Ich freundlich oder zumindest interessiert auf das, was bei diesen Zusammentreffen geschieht. Da gibt es den Mann mit
Baseballkappe, kurze Hose, schon etwas dick
an jeder Hand ein Kind,
ein jedes unvorhersehbar, ein stiller Blick,
auf einem Parkplatz
Oder:
Verhoffte Fatalisten auf dem Pier
Mit ihren langen Angeln, Dosen Bier,
Merkt einer, dass man keine Sterne sieht?
Immer genügen Fricker für die Darstellung seiner Protagonisten wenige Striche. Allein die Worte „verhoffte Fatalisten“ genügen, um diese Angler ausgiebig zu charakterisieren. Formal sind die Gedichte sorgfältig gebaut, mit der immer gleichen Zeilenanzahl in jeder Strophe.
Besonders schön sind die Gedichte, in denen er kleine Momente beschreibt, diese entweder für sich sprechen lässt oder fragt, was macht dieser Moment mit ihm macht. Dazu ließen sich mehrere Beispiele zitieren. Oft zieht es das lyrische Ich ans Wasser. Da gibt es
Spärliche Schatten noch zwischen den Stümpfen.
Ein Sonnenstreif dort draußen,
und alles Wasser fließt darauf zu.
Alltägliches verändert sich durch das bewusste Wahrnehmen der Natur. Besonders deutlich wird das in dem Gedicht Gloria, meinem Lieblingsgedicht in diesem Band.
Eine deutlich freundliche Handschrift wartet morgens auf dich.
Handtücher und Hemden an der Wäscheleine,
die Katze ausgestreckt auf dem Esstisch,
so ist es. Bis im blauen Himmel,
im doch nie ganz vertrauten Blick, im angestrengten Heimweg
eine Kluft aufreißt, eine Bucht, an der du abends sitzt -
du siehst so lange auf die Wellen, bis dein Leben anders ist.
„Wer ein Gedicht hat, ist nicht einsam“, sagte Christophe Fricker einmal in einem Interview. Und in seinen Gedichten sind es oft Beschreibungen winziger Momente, durch die der Leser seinen Blick weitet und sich zugleich verstanden fühlt. Wie der Titel verspricht, fühlt er sich sozusagen eingeladen zu seiner ureigenen Party.
Fixpoetry 2015
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Neuen Kommentar schreiben