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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Bissige Lyrik über Lyrik

Die zwei Berliner Clemens Schittko und Kai Pohl sind ein eingespieltes Team, nicht erst seit ihrem unlängst bei Fixpoetry erschienenen Lyrikband „da kapo mit CS Gas“. Nun legt Schittko einen kleinen Band im Kultverlag SuKuLTuR vor – mit zwei Gedichten, die es in sich haben. Pohl hat die Umschlaggrafik beigesteuert: Einen verballhornten Bundesadler mit Jägermeister-Kopf.

Clemens Schittko ist ein bissiger Zeitgenosse, zumindest in seiner Lyrik. Er teilt gerne aus, gegen den alltäglichen bundesdeutschen Politirrsinn, gegen das, was sich Literaturbetrieb schimpft, ja sogar gegen die Lyrik selbst, die heute in der Masse so dröge und langweilig ist. Wenn auch Schittko längst nicht dessen Qualität erreicht, so ist man von der Grundhaltung doch an Bukowski erinnert, der einmal in einem Lyrikseminar saß und auf die Frage des Dozenten, warum er denn so still sei, antwortete: „Ich habe hier bisher nur Stuss gehört.“

Schittkos Stil ist simpel, seine Strukturen versuchen gar nicht erst, undurchschaubar zu sein. Das macht ihn sympathisch. Er schwimmt gegen den Strom des zwanghaften Verkomplizierens. Würde man es nicht besser wissen, man könnte meinen, er wäre mit einer Zeitmaschine direkt aus den 70ern gekommen, in denen der Alltagsduktus der Lyrik ein mitunter beachtliches Publikum bescherte. Schittkos Lyrik ist immer auch böse Realsatire an der Grenze zur Anklage und manchmal darüber hinaus (stellenweise etwas zu plakativ, zu starrsinnig links, aber das mag man diesen Versen verzeihen – es ist ein Austeilen, das Spaß macht, weil nur wenige es sich trauen).

„Lyrik, die ihre gröbsten Navigationsfehler allein deshalb macht, / weil sie nicht weiß, wofür die Abkürzung GPS steht.“ Diesen Vers kann man als Anspielung auf den Komplexitäts- und Verschlüsselungswahn sehen. Und treffender als in diesem kann man die aktuelle deutsche Lyrikszene kaum aufs Korn nehmen: „Lyrik, die ihre Abnehmer mit ihren Anbietern verwechselt.“ Und auch der hier ist nett: „Lyrik, die nur noch als kopflastiger Spam-Mail-Text die Chance hat, / von der Literaturwissenschaft kanonisiert zu werden.“

Einen großen Nachteil allerdings hat dieses Langgedicht „Eine neue Lyrik“: Es richtet sich über weite Strecken an die Lyrikszene. Wer sich mit dieser nicht befasst bzw. die immer wieder aufkochenden Debatten nicht verfolgt, wird zu vielen der herrlichen Frotzeleien kaum einen Zugang finden. Ob das ironische Absicht ist?

Clemens Schittko
Und ginge es demokratisch zu
Ilustration: Kai Pohl
SuKuLTuR
2011 · 20 Seiten · 1,00 Euro
ISBN:
978-3-941592278

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