Nicht Lustig
Harold, der erste Roman des Autors, der unter dem Pseudonym einzlkind publiziert, war, glaubt man dem Feuilleton, der frenetisch gefeierte Sommerhit des Jahres 2010. Außergewöhnlich komisch für einen deutschen Roman. Schwarzer britischer Humor aus dem Land der Sauertöpfler und Griesgrame – das schien beachtens- und lobenswert.
Dieser Erfolg schien auch den anonymen Autor, hinter dem der Herausgeber des Verlags selbst, Klaus Bittermann, vermutet wird, so gefreut zu haben, dass er in diesem Jahr mit Gretchen die Fortsetzung vorgelegt hat. Leider handelt es sich hierbei aber um einen jener Fälle, in denen Teil Zwei so gar nicht mit Teil Eins mithalten kann.
Vorweg: Ein komisches Buch muss nicht zwangsläufig von der Handlung leben, die vollkommen beliebig sein kann, so es denn komisch ist. Wenn es aber weder komisch ist, bzw. sich über 200 Seiten mit Pointen über Wasser zu halten versucht, und auch die Handlung nicht trägt, dann ist spätestens nach der Hälfte des Buches der gute Wille und die Belastbarkeit des Leser überstrapaziert. Dann wäre eine Sammlung von Satiren und Glossen die glücklichere Lösung gewesen.
Aber erst einmal zur Handlung: Gretchen Morgenthau gefürchtete und gehasste Theater-Regisseurin mit einer Vergangenheit als Profikillerin geht ihren beiden Lieblingstätigkeiten nach: sich maßlos betrinken und einer Polizeikontrolle auf kreative Art und Weise mit Morddrohungen aufwarten. Wider Erwarten wird die alterslos alte Misanthropin in einem Prozess von einem ebenfalls kreativen Richter zur Strafe zu einem Monat Verbannung auf die Insel Gwynfaer verurteilt, wo sie mit den Gwynfaer Hinterwäldlern ein Stück inszenieren muss.
Dort lebt auch der zweite Hauptprotagonist, der 18-jährige Kyell, der, da er seine wahre Berufung noch nicht gefunden hat, als Handlanger des Inselveterinärs Katzen die Hoden entfernt. Ebenjener wird dann Gretchen Morgenthaus Assistent. Das Stück Peer Gynt von Henrik Ibsen wird eingeübt. Gretchen Morgenthaus heiß erwartete Wandlung von Saulus zu Paulus vollzieht sich dann fast und vollkommen unmotiviert, als ihr ein Papageientaucher zu Füßen fällt, um den sie sich nach Kyells Aufforderung tatsächlich fürsorglich kümmert, statt ihn wie geplant zu strangulieren. Kurz vor der Premiere setzt sie sich zum Sterben in ein schönes rotes Boot und hat ihren ebenfalls etwas unmotivierten aber modisch absolut stilsicheren großen Abgang. (Gretchen Morgenthaus exquisite Garderobe nimmt nämlich ganze Seiten des Buches ein).
Kyell bleibt zurück mit der Offenbarung, dass seine Berufung Koch ist und ohne die Bürgermeisterstochter Milla erobert zu haben. Ebenso wie Gretchen Morgenthau, lässt auch der Autor seine Figuren im Stich, führt sie ein, um die Szenen mit illustren Typen ausstaffieren zu können und lässt sie später wieder links liegen und es bleibt nichts über, als der Salat abgebrochener Figurenfäden.
Da also das Handlungsgerüst schon vollkommen hanebüchen und auch die Figurenzeichnung hölzern und klischeeüberfrachtet ist, bleibt dem Buch nichts anderes übrig, als von seinem Sprachwitz und seinen Pointen zu leben. In diesem Fall getreu dem Motto: viel hilft viel und es müssen möglichst ganze Salven von Kalauern und Pointen auf den wehrlosen Leser abgefeuert werden.
Nicht, dass es nicht durchaus sehr gelungene Passagen und erfrischende Einfälle gäbe – auch und vor allem der Anfang ist sehr gelungen, da das Buch hier noch wunderbar surrealistisch anhebt. Die Spannung und die Erwartung, die es dadurch evoziert, kann es aber leider nicht halten.
Der Humor schafft es leider nicht ganz so dadaistisch wie Monty Python oder so klug-böse wie z.B. eine Titanic-Kolumne zu sein. Es ist ein verspielter, schelmenhafter, phantasievoller, warmherziger, gesellschaftskritischer Humor; aber zu brav, zu pointenfixiert, zu unentschieden. Der Autor hätte das Wagnis eingehen können noch abgedrehter, noch surrealistisch, dadaistischer zu operieren, da die Handlung das Buch sowieso nicht trägt. So werden die humoristischen Strategien nach einer Weile durchschaubar, die Witze und Kalauer, wie z.B. Hunde, die Wein zu Wasser verwandeln können u.s.w. ausgenudelt und lahm.
Manchmal ist es überraschend und gelungen, wenn über einen Unfall gesagt wird „Menschen übten mal wieder totfahren“, dann wieder werden Gemeinplätze bedient, „Sind Sie drogensüchtig?“ (…) „Ja natürlich, ich bin Arzt.“ und manchmal und vor allem zum Ende des Romans hin wird es einfach nur albern: „Als wäre ihm etwas ins Auge geflogen, ein Elefant oder so.“ Zur Abwechslung wird es ab und an noch etwas obszön, ansonsten überrascht die Hauptfigur nur dadurch, dass sie sich selbst so treu bleibt, dass sie auch den x-ten Konflikt mit einer kapriziösen Morddrohung löst.
Kaum jemand aus der Kunst- und Kulturszene, der in diesem Roman nicht sein Fett wegbekommt – die glückliche Narrenfreiheit desjenigen, der unter Pseudonym schreibt. Da hilft es auch wenig, dass der Autoren auch Autoren, die unter Pseudonym schreiben, als „Idioten“ bezeichnet.
Zudem muss die preisbehangene, aus Serbien stammende Verfasserin dieser Kritik an dieser Stelle betonen, dass sie keinen persönlichen Groll auf den Autor hegt, auch wenn dieser auf Seite 50 allen preisgeilen Schriftstellern den Tipp gibt, sie sollten sich „einen osteuropäischen Namen zulegen und einer unterdrückten verfolgten Ethnie angehören, die nur Liebe und Frieden auf ihren Lippen und in ihren Herzen trägt. Werde zu Unrecht verleumdete Serbin und schreibe authentische Erlebnis-Literatur, also irgendetwas mit schwerer Kindheit und Alzheimer.“
Das ist dann aber auch wirklich nicht mehr zum Lachen, zuerst die Arbeitsplätze und jetzt nehmen wir euch auch noch die Literaturpreise weg.
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