Overdrive bis zum Rundumout
Eher tragisch als unterhaltsam, die unfreiwillig schrägen Horrortrips Jo Winklers als Werbetext-Zampano. Exemplarisch für den Berufsstand mit den berühmt-berüchtigten fünf Schraubendrehungen mehr als nötig. Winkler palavert, wirbelt und wütet schier atem- plus rücksichtslos durchs Agentur-Milieu einer angeschossenen Hornisse gleich.
Enno Stahl hat jene Aura, jenes Aroma mit reellem Drive beispielgebend authentisch transportiert in seinem zu empfehlenden Roman-Monolog „Winkler, Werber“. Und der Autor hält diesen Overdrive nahezu unfassbar atemraubende 315 Seiten stramm durch. Zeile für Zeile, Absatz für Absatz. Der Leser ist wieder und wieder gezwungen innezuhalten, Luft zu schöpfen während jenen anhaltend waghalsigen Stahl-Winkler-Überholmanövern.
Würde es sich um gebrochene Textzeilen handeln ..., ach, neinnein, ebenfalls vorliegendes Prosa-Tempo all der Gefühlsausbrüche oder dieses täglichen Agentur-Prunksuchtjargons – „Winkler, Werber“ hat beste Voraussetzungen ein aktuelles Gegenstück zu werden von Allen Ginsbergs atemlosen „Howl“/“Das Geheul“-Langgedichtklassiker aus den 1950er Jahren.
„Der Roman widmet sich den gedanklichen Abgründen derer, die für die ökonomische Katastrophe verantwortlich sind, nun aber selbst von ihr verschlungen werden … ein Psychogramm der Krise“, heißt es auf der Buchumseite. Stimmt Wort für Wort. Kommt hin nicht nur für Werber. Trifft uns alle nahezu durchweg. Betrifft Sales-Manager wie Versicherungsagenten, Politiker wie, eh, Journalisten oder, selbstredend, Kolleg/inn/en aus der sogenannten schöngeistig schreibenden Zunft und dem näheren als auch weiteren berufenen Umfeld.
Und ein Burnout kann stracks zum Rundumout führen. Wie bei Jo Winkler, der (Ex-)Wimmelwerberschnauze. Überdies hat Stahl, darf ohne Palaver konstatiert werden, ein bleibendes Zeitdokument vorgelegt
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