Chansons über Fürze und Tauben vergiften
Die lyrikzeitung von Michael Gratz hat es vermeldet: Georg Kreisler hat seinen ersten Gedichtband herausgebracht und in der FAZ konstatiert Wulf Segebrecht: "Wer hätte das gedacht: Georg Kreisler, den wir alle von den Tango tanzenden Tanten und den toten Tauben im Park her kennen, entpuppt sich im fortgeschrittenen Alter allen Ernstes als veritabler Lyriker."
Georg Kreisler gehört zweifellos zum einem der begnadetsten Chansoniers und Kabarettisten deutscher Zunge. Das weiß nur kaum jemand. Sein schwarzer Humor und manchmal jüdisch-wienerischer Charme sind nicht jedermann's Sache und seine Sache ist manchem durchaus unbequem. Kreisler mußte Hunger leiden nicht nur in den Jahren des Krieges und so richtig Erfolg mit seiner Musik hatte er erst in höherem Alter. Heute ist Georg Kreisler schon 88 Jahre und man wünscht ihm noch ein langes und gesundes Leben; von seiner Altersvitalität konnte ich mich an einem Wiener Kellerabend im September vor fünf Jahren selbst überzeugen: ungebrochen sein Wortwitz und Charme, seine schmetternde, starke Stimme, seine unglaubliche Energie und Wachheit, ein Traum von einem Mann, der jeden hoffen lässt, selbst in diesem Alter noch so gut beieinander zu sein. Und das nach diesem schwierigen Leben!
1922 wurde Georg Kreisler in Wien geboren und wohnte in der Neustiftgasse (Nr. 119!), in der er eine Weile auch zur Schule ging. Sein Vater war Anwalt und liebte ein geregeltes Leben, arbeitete zwölf Stunden am Tag und machte allenfalls am Wochenende einen Ausflug mit seiner Familie nach Mauer bei Wien. Seine Schwester, also Georgs Tante, heiratete später in die Weingroßhandlung Klein&Brandl, die in alle Länder Europas Geschäftsbeziehungen pflegte. So kommt auch Georgs Vater zu mehr Aufträgen und eine gesicherte Existenz ist zumindest in Aussicht gestellt. Klein-Georg ist auch zugegen, als sein Vater zum Fenster in die Leere hinausruft: “Der Justizpalast brennt!” und langsam schleicht sich auch in die mühsam aufgebaute Existenz der Kreislers der Schrecken ein. Die weiteren Stationen des Weltuntergangs sind Hitlers Machtergreifung 1933 und der Einmarsch nach Österreich 1938. Die Familie Kreisler muss fliehen, da sie sonst nicht überleben würde.
So kommt Georg Kreisler durch ein “affidavit of support” eher unfreiwillig über Genua nach Amerika, inzwischen ist er 16 Jahre alt und weiß wohl noch nicht so recht wie ihm geschieht. ”Für den 16-jaehrigen Georg ist alles wie ein Albtraum. Er hatte doch noch im Sommer zuvor in weißer Jacke, weißem kurzen Hosen und weißen Kniestrümpfen auf dem Markusplatz in Venedig gestanden, hatte ausgerechnet Tauben gefüttert und sich am Mittelmeerstrand mit seiner Mutter, die der damals schon um Haupteslänge überragte, fotografieren lassen. Jetzt liegt Krieg in der Luft. Nichts wird mehr sein wie früher.”, heißt es in vorliegender Biographie.
Auf der Schiffspassage lernt Georg einen etwa 30-jaehrigen Fremden kennen. Der junge Georg fühlt sich geschmeichelt, dass sich ein erwachsener Mann für ihn interessiert und unterhält sich länger mit ihm. Sie spielen dann auch des Öfteren Schach gemeinsam und der Amerikaner gewinnt jedes Mal. Kein Wunder ist dieser Mann doch “Bugsy” Siegel, der sich in Glücksspielen bestens auskennt. Ende der 30er Jahre waren Meyer Lansky, Lucky Luciano und Bugsy die unbestrittenen Könige der Unterwelt, gefürchtete Killer und Mörder! Und Kreisler spielte mit einem davon Schach, ohne ahnen zu können, mit wem er es zu tun hatte! Schließlich landet die Familie in Los Angeles und das Abenteuer Hollywood könnte eigentlich beginnen.
Dass der Krieg auch im Leben Kreislers alles verändern würde war klar, so bekommt auch er einen Stellungsbefehl und rückt auch ein. Gegen Ende des Krieges wurde er aufgrund seiner Deutschkenntnisse auch für die Nürnberger Prozesse gebraucht. Marcel Prawy Hoechstpersönlich lud ihn dazu einda dieser zu dieser Zeit Sergeant war und die deutschen Kriegsverbrecher verhören musste. Der prominenteste Häftling den Streicher verhören muss ist Julius Streicher, der Chef der antisemitischen Hasspostille “Der Stürmer”. Kreisler erlebt Stürmer als armes Würstchen und empfindet seltsamerweise keinen Hass, aber auch nicht wirklich Mitleid gegen den vermeintlichen “Herrenmenschen”. Im Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg wird Streicher später zum Tode verurteilt und als einer der Hauptschuldigen gehängt.
Die Biographie kann man hier nur anreißen, das Leben Kreislers ist viel zu bewegt, als dass es in einer Buchrezension Platz hätte. Man findet noch viele erschütternde, interessante und oft humorvolle Anekdoten in dem vorliegenden Buch. Die sorgsam recherchierte Biographie wird ergänzt durch zahlreiche S/W Fotos und im Anhang von einer kompletten Disco- und Bibliographie des Meisters. Als besonderer Leckerbissen hat der Scherzverlag eine CD beigelegt, die verschollen geglaubte Aufnahmen aus Kreislers Exil beinhaltet. Es sind dies die einzigen Lieder von Kreisler, die auf Englisch erhältlich sind, Klassiker wie “Please shoot your husband!” oder “My Psychoanalyst is an Idiot” gibt es zwar auch auf Deutsch von Kreisler zu hören, aber die englischen Aufnahmen haben einen absoluten Seltenheitswert und wären beinahe dem Vergessen preisgegeben worden, wenn die beiden Journalisten und Herausgeber dieses Buches sich nicht auf die Suche danach gemacht hätten. Besonderer Dank gilt dabei Glenn Korman von SONY/BMG in New York: ihm ist es zu verdanken, dass die von 1947 stammenden Aufnahmen Kreislers doch nicht eingestampft wurden und nun auch dem deutschsprachigen Publikum zur Verfügung stehen. Daß seine Texte ihre Aktualität seltsamerweise kaum verlieren, liegt wohl daran, wie der Mensch tickt.
Was für ein Ticker ist ein Politiker
Ja, die Welt ist eine Ansammlung von komischen Tieren,
Die sich an das Leben klammern und nur selten amüsieren.
Um gleich alle zu beschreiben fehlt die Zeit mir momentan,
Und so führe ich nur einige als Beispiel an:Ja, ein Dramatiker ist ein Stückeschreiber,
Und ein Fanatiker ist ein Übertreiber,
Und ein Botaniker ist ein Blumengießer,
Und ein Romantiker ist ein Frauengenießer,
Ein Philharmoniker ist ein Staatsmusiker,
Der Pension kriegt, wenn er nicht mehr gut gefällt -Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Woher kommt er und was will er von der Welt?
Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Woher kommt er und was will er von der Welt?Die Amerikaner sind die Haupttouristen,
Die Lilliputaner sind die Zwergkopisten,
Und der Persianer ist der Abgewetzte,
Und der Mohikaner ist der Allerletzte,
Ein Alkoholiker ist ein Exzentriker,
Der sich selber seines Lebensglücks beraubt -Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Ist er wirklich so von Nöten, wie er glaubt?
Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Ist er wirklich so von Nöten, wie er glaubt?Man braucht Kesselflicker und Autobuslenker,
Elektrotechniker und Serviettenschwenker,
Vor Gericht braucht jeder einen Verteidiger,
Dieser Verteidiger ist Akademiker,
Ich bin kein Zyniker und kein Polemiker,
Ich verehre diese Leute wirklich sehr -Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Eines Tages gibt's den sicherlich nicht mehr!
Aber was für Ticker ist ein Politiker,
Eines Tages gibt's den sicherlich nicht mehr!
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