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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Die Kutte wird zu heiß.

Jan Soekens „Friends“ erzählt, wie zwei baden-württembergische Polizisten zum Ku Klux Klan wollen
Hamburg

Man glaubt es nicht. Nein, das ist wirklich zu absurd. Können die Roman- und graphic-novel-Schreiber nicht auch mal ein bisschen realistisch sein? Am normalen Leben orientiert? Nein, können sie wohl nicht: Da schickt Jan Soeken zwei Männer durch einen deutschen Wald, sie tragen weiße Kutten und spitze Kapuzen, denn wo wollen sie hin? Zu einem Treffen des Ku Klux Klan. In Deutschland. In Baden-Württemberg. Völlig unglaubwürdig! An den Haaren herbeigezogen!

Dummerweise ist es das nicht. Es gab wirklich zwei schwäbische Polizisten, die eine Zeitlang Mitglied bei den „European White Knights of the Ku-Klux-Klan“ waren, wie sich die Gruppierung von etwa 20 Leuten nannte. Später sagten sie aus, sie hätten nicht gemerkt, dass der Klan rassistisch war, erst als ein Neo-Nazi aufgetreten sei mit einer Hitler-Tätowierung, sei der eine doch stutzig geworden. Sie waren Kollegen der ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter, die wahrscheinlich von Neonazis erschossen worden war, vom „Nationalsozialistischen Untergrund“. Beide sind heute noch im Dienst, der eine auf Streife, der andere Gruppenführer bei der Bereitschaftspolizei.

Jan Soeken, dessen Debüt-Comic „Friends“ von diesen beiden Männern erzählt, dreht diese absurde Geschichte noch ein wenig weiter, so dass sie vollends in die Skurrilität abdriftet. Denn als die beiden Freunde Hermann und Thomas aufbrechen, um ihren Ritterschlag zu bekommen, verirren sie sich im Wald und landen an einem Abgrund. „ Das ist aber auch nicht so gut organisiert vom Klan. Muss man schon sagen“, nölt der eine. Und der andere antwortet, etwas genervt: „Thomas, da kann der Klan an sich nichts für. Du warst schließlich derjenige, der das GPS vergessen hat.“ Und dann wird Thomas auch die Kutte zu heiß, und er nimmt die Haube ab. Und dann kommen sie an einen Hundezwinger, mit einem dreibeinigen Hund: „Das wird vom Forstamt sein. Forstamt Baden-Württemberg.“ Thomas macht sich Sorgen um den eingesperrten Hund. Und Hermann raunzt ihn an: „Kein Wunder, dass das mit dir und Sabine zu Neige gegangen ist.“ Worauf Thomas wütend die Haube über den Zaun wirft, zum Hund.

Und jetzt geht alles schief. Die Haube kriegen sie nicht mehr aus dem Zwinger. Zum Klan kommen sie auch nicht. Müssen im Wald übernachten und ein Feuer machen, über dem sie Marshmallows grillen. Am nächsten Morgen ist dem Hund schlecht, weil Hermann ihn mit vergifteter Leberwurst fütterte, und dann schaffen sie es, die Haube rauszuholen und können endlich weiterziehen. Nehmen natürlich den Müll mit, als ordentliche Deutsche. Dennoch: Nichts wird gut. Aber das Ende wird nicht verraten.

Soeken ist ein absurdes kleines Kammerspiel gelungen, das von durchgedrehten, naiven Deutschen erzählt, die durch den Wald stolpern. Mit allerschwärzestem Humor charakterisiert er die kleinbürgerliche Spießerseele, die von Großem träumt, und dann wird nichts draus: „Wie du dich wieder aufführst, solltest dich mal sehen! Erst willst du was ändern, willst zum Klan. Dann kommt irgendein Köter und die Mütze ist zu heiß. Du hast den Biss wieder nicht. Weißt nicht, was du willst.“

Mit einfachen Strichen, fast kindlich zeichnet er die beiden Männer, den Hund, den Wald, den Käfig. Nicht die Spur von Realismus, keine überflüssigen Details. Die Männer ähneln Strichmännchen, die Bäume sind kleine Stecken mit einem Puschel obendrauf. Vor allem durch die Dialoge werden die beiden Charaktere gekennzeichnet, ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten, der eine mehr der Softie, der sich auch noch um den Hund Sorgen macht, der andere vor allem genervt von seinem Freund. Dabei wollten sie doch Ritter des Ku Klux Klans werden, also richtige Männer mit einem wichtigen Auftrag. Es sollte nicht sein. „Friends“ ist nur eine kurze Geschichte, aber die ist wundervoll auf den Punkt gebracht – Monty Pythons hätten ihre Freude daran gehabt.

Jan Soeken
Friends
avant
2014 · 48 Seiten · 10,00 Euro
ISBN:
978-3-945034-14-9

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