Aus dem Exil wieder auf den Buchmarkt
Manche sind national, vielleicht noch nicht einmal dies, aggressive Kantonisten, die von ihren kaum mehr verstandene Traditionen forttreibend das Andere als beängstigend finden und darum hassen; manche sind international, aber nicht wirklich, weil sie eine Leitkultur, die sie so wenig wie die Provinziellen ihr Brauchtum verstehen, vertreten, kaum weniger ideologisch, kaum weniger aggressiv. Dazwischen, in der Spannung, wenn man so will, ist Kultur, im Vorläufigen, das aber nicht Schlamperei meint, gerade dies nicht: „wahrscheinlich für immer”, wer beschreibt so ein Exil, ein Verlassen, Hoffnung und Aufgabe..? Hier situiert ist Urzidils HinterNationalität, die entdeckt, daß zwischen sämtlichen Stühlen zu sitzen eine Qualität ist, und sie ist unter anderem darum so wichtig.
Aber nicht allein darum ist dieser vermittelnde, aber stringente Polyhistor zwischen New York und Böhmen lesenswert. Ebenso lohnt seine Neugier, seine Weltoffenheit, die nie zum Programmatischen gerinnt, das Entdecken; der feine, klare Stil; das Sensorium, durch die Kunst das Nicht-Künstliche mitsamt der „emigrantische(n) Trivialitäten” zu fassen... Und wer könnte einen besser als die Herausgeber dieses Bandes in sein Werk einführen..? Wunderbar ist die biographische Einführung, die subtil instruktiv verfährt und Kommentar und Zitate elegant und kenntnisreich miteinander verflicht.
So ist das neue Lesebuch, das Vera Schneider und Klaus Johann herausgegeben haben, eine Gelegenheit, diesen lesenswerten, leider etwas in Vergessenheit geratenen Autoren wiederzuentdecken, wie es das Zitat Schmidt-Denglers, das dem Titel der Besprechung zugrunde liegt, fordert – zuerst in jener glänzenden Biographie, die collagiert und eine Moderation von Zitaten ist, dann in größeren Texten, Stationen entlang, die nicht nur geographisch eine Topik entwickeln. Diese ist von jenen Spannungen durchzogen, von leiser Ironie: „Ein Erlebnis bestand [...] aus ein paar Ohrfeigen”, zu solchen Wendungen, die ein Schlag(!)licht auf Erziehung und Liebe werfen, ist Urzidil stets bereit...
Stationen – das sind Orte samt ihrer literarischen Textur. In Concord, am Walden Pond, ist Urzidil auch als Leser. Texte sind ihm dabei Kompaß und Karte, erweitertes Sensorium. Thoreau ist also sofort präsent, wenn an jenem See Station gemacht wird, und mit ihm die Mobilitätskritik... Eines verzahnt sich ins andere, nicht erzwungen, sondern in der feinen Polyperspektivität, die gerade nicht ganzheitlich sein will, darum aber: das Ganze ahnen läßt.
Das zeigt dieser Band, ergänzt um weitere Stimmen, ein Verzeichnis von Schriften, eine CD... Ohne hier weiter ins Detail zu gehen: Die Wiederentdeckung Urzidils ist fällig. Dieses Lesebuch könnte, sollte, müßte ein Schritt sein – wie übrigens auch der exzellente Band zu Urzidil, an dem Klaus Johann ebenfalls maßgeblich Anteil hat.
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