Für den Alltag gedacht und das innere Wetter
Was schon beim ersten Lesen der Gedichte von Klaus Martens (ob in „Alter knochen spricht und andere neue Gedichte“ oder im fixpoetry Leseheft „Das wunderbare Draußen“) auffällt, ist der Reichtum an Bildern und Metaphern, mit denen er herrlich lakonisch und dabei punktgenau umzugehen versteht. Sie schmerzen, berühren klug und ideenreich. Der Dichter beobachtet andere und findet dabei auch immer sich selbst, noch vor den Treppen des Elfenbeinturms bezieht er einen, seinen persönlichen Standpunkt: „Ich weiß wohl, ich bin für den Alltag gedacht,/ mag nicht die vorbildlichen Kreise und Zirkel.“
Sein Weltbild entsteht musikalisch, beim Erinnern und In-die-Zukunft-Denken wie eine poetische Lebensreise, die kein Ende nimmt - zuweilen süffisant, ohne süffisant zu sein, zuweilen auch wehmütig, doch weit entfernt von den lyrischen Schreckgespenstern Gefühlsduselei und Larmoyanz. Zu seinen Themen gehört die Wiederkehr von Perspektive, aus dem Blickwinkel eines erfahrungsreichen Lebens mit der Literatur gesehen, die andernorts verschwundene Utopie, die bei ihm mehr als übrig ist und in einer seltsam reifen Einsicht mündet: „Einfache/ Menschlichkeit würde heilen.“
Klaus Martens ist ein menschlicher Dichter, klug, aber auch vergesslich, „so nah, so fern.“ Er sinniert über „verlorene Freunde“, „ich weiß nicht, wer da stand“; über die Möglichkeit, „Was wohl wäre“: „meine Liebe, meine Lyrik, vierzig Jahre/ haben wir uns neu erfunden“; über die Zeit „Wenn Klarheit wird“: „Das innere Wetter hat sich aufgeklärt.“
Ein anderes Thema ist die Natur, die äußere, die innere, man könnte auch sagen Kultur als „Erinnerungsanstoß“ oder „Schöpfungsfragen“. Er durchleuchtet das „All“: „Versionen des Malstroms überall, kein Schauergeheimnis mehr/ der Lofoten. …“Fett am Wanst unserer Welten.“ Stets rückt der Mensch in den Fokus Kinder- und Jugendjahre tummeln sich, Leben und Sterben, immer wieder das Alter: „Du hast nichts zu verlieren; es sei denn,/ es wäre dir eine Zukunft vorstellbar ohne dich.“
Wer das Situative aus seinen Gedichten filtert und vergegenwärtigt, nickt still und kennt den Grund: „Kein Blatt, kein Stern, kein Laut/ wird mir entgehen.“ Da er das Leben kennt. So lässt er auch das schwierige Thema Heimat nicht aus, das er ohne Spektakel beschreibt: „Heimat ist Denken an die Heimat./ Heimat ist, wo dein Gedanke ist.“ Er kennt das Leben und weiß, dass das Beschreiben des Anderen das Eigene spiegelt, der Blick in die Augen anderer ist auch der Blick in die eigenen. Der alte Knochen (wie Frank Milautzcki Martens einmal liebevoll in einer Rezension genannt hat) spricht: „Fülle oder Verzicht/ mein Altersliedlein/ der Wiederkehrreim.“ Und weil es ums Leben geht, gibt es auch Angst, Mythologie, Bitternis und den Wunsch, der sich anhört wie ein Gebet: „… und besänftige die Bitternis des wirklich Heimischen in einer Welt voll Fremder.“
Überhaupt lesen sich viele Gedichte wie gereimte Gebete, ohne dass sie sich in realiter reimten. Man reibt die Verwunderung aus den Augen und kann es kaum glauben. Trotz aller Brüche wirkt alles rund und fertig, im besten Sinne gereimt, obwohl die Gedichte bis auf ein paar wenige Ausnahmen genau das nicht sind. So wirken nur geglückte Komposition und geniale Textur. Fast so, als wären sie auf eine spezielle Art und Weise gesungen. Mit etwas Übertreibung, die hier nicht wirklich schadet, läßt sich die Lyrik von Klaus Martens als Teil einer archaischen Gnade beschreiben – was man mit Sprache machen kann, wenn man es kann. Dichten und für das Gedicht da sein. Formen innerhalb des Formseins, „armes Schaffen“: „Bevor es graue Aschewolke wird,/ bleibt das Glück des Neubeginns.“
Fixpoetry 2011
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