Ixbeliebig oder iksbeliebig?
Ob ix oder iks – fest steht: Die Rechtschreibreform hat ein Chaos angerichtet! Die Verursacher sind sakrosankt und belehren unbehölligt. Wer die Regeln bislang noch nicht kennen gelernt hat, könnte sie kennenlernen, nämlich jeder Zeit oder jederzeit, für wie viel (wieviel?) Un-Sinn sich den Toren Thür und Tor geöffnet haben. Damit nie Mand (Mandr es ischt Zeit) mich miss(mist)verstehen möge: Ich argumentiere keineswegs gegen eine Reform, jedoch gegen ein verhunztes Reförmchen.
Gegen die Verhunzung schreibt auch Ludwig Laher in seinem neuen Buch an. Denn die lek toralen Bestwisser wissen, wo es Lang geht, um die Texte der Zeit genössischen Autorenschaft zu verbessern. In Schulbüchern wird gnadenlos jeder Text von Sprach unkundigen verrichtigt. Dagegen hilft auch kein Nobelpreis für Literatur! Damit das klar ist. Sollen S’ doch erst deutsch-Deutsch lernen, bis sie sich in rechtschreiberischen Rechthabereien recht bescheiden äußern dürfen, bis demnach ihre Textlichkeiten auf die Schülerschaft losgelassen werden können. Darüber wacht die „Sprachpolizei“.
Was skurril klingen mag, ist zum Sch Einbaren Besseren. Gehorsamste Diener der Schulbuchherausgeberlektorengötter haben Autorinnen und Autoren zu sein.
Die Rechtschreibung ist ein Regelwerk, eine Art von Gesetz (allerdings ohne judikative Folgen). Regeln wie: Mal sehen, was sich von den Varianten durchsetzen wird, erinnert mich daran: Mal sehen, ob sich Raubmord oder eher Einbruch durchsetzen werden, dann sehen wir weiter, was wir zulassen werden. Spaghetti schreibe ich erst dann ohne h (sonst wären es zu Folge meiner bescheidenen Italienischkenntnisse zufolge „Schpadschetti“), wenn ich nach Nju Jork reise, um in Menhätten über den Brotweh zu walken.
Konsequent war die Orthografie (oder heißt es Ortographie?) nie. Da sie sich Folge richtig geändert hat, bringe ich zu meinen Ältern (von „Alter“ hergeleitet) ein paar Stängel (von „Stange“) Spargel.
Das Fiasko der Reform liegt sowohl im Ursprung als auch in den Konsequenzen. In vorauseilendem Gehorsam eines verblüffend großen Teils der Lehrerschaft wurden Bücher in alter Rechtschreibung aus dem Bestand von Schulbibliotheken ausgegliedert. Ludwig Laher hatte diese Recherche durchgeführt. Da Neuauflagen in den meisten Fällen nicht vorgesehen waren, werden die betroffenen Autoren nunmehr aus dem Deutschunterricht ausgeschlossen. Angeblich könne Schülern und Schülerinnen nicht zugemutet werden, das Alte vom Neuen zu unterscheiden.
Herausgeber von Schulbüchern greifen zwar gern auf zeitgenössische Texte zu, indes müssen „Fehler“ korrigiert werden. Sprachüberwachungskommissare haben die Literatur mit dem großen Löffel geschluckt und inhaliert und intus. Da sie nicht selbst literarische Texte zustande bringen, können sie abschätzen, wie in Schulbüchern geschrieben werden muss. Also muss auf den Rotstift zugegriffen werden, weil sie das gewohnt (gewöhnt?) sind von Schüleraufsätzen.
Lesen Sie das Buch und Sie werden nachvollziehen, was die Rechtschreibreform-Kumpeln (mehrheitlich Männer!) angerichtet haben. Zum Auslöffeln des Schreib-Gerichts sind wir alle Samt angehalten, ob allein stehend oder alleinstehend.
Mir ist die Sprachreform sowohl inwändig als auch auswändig zuwider. (Eine Wand – nicht ein Wandel.)
Aus dem Vorwort:
"Dieses Buch rettet Zeichen, darunter auch meine. Die Zunge braucht keine Rettung, aber die Zeichen brauchen sie umso nötiger. Absurde Rechtschreibreformen haben sie deformiert anstatt reformiert. Ich danke sehr für meine Rettung, denn meine Zeichen sind ich. Sie sind mehr als ich, die ich nur eine bin, aber sie sind mir alles. Ich selbst sage nicht immer die Wahrheit, meine Zeichen, mit denen ich sie sage, tun das aber doch, und zwar genauso wie ich es will. Die Schreibung von Worten, die hier in diesem Buch vor dem Zugriff von Sprachverwaltung und Sprachpolizei gerettet wird, ist nie unbegründet. Ich zum Beispiel kann die Schreibung jedes einzelnen Wortes, das ich Ihnen leihe, aber nicht schenke!, erklären, und meine KollegInnen und Kollegen können das auch, man darf den Worten und Wörtern nur keine Zwangsjacke anziehen, bis sie sich nicht mehr bewegen können. (...) Dieses Buch braucht kein Vorwort, es ist ein Vorwort zu den letzten Worten der Sprache, denn was man liest, das ist es." Elfriede Jelinek
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