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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
Kritik

Eine stille Tragödie

Hamburg

Kurz nach neun Uhr morgens putzt Rosa mit Bleiche das Haus, schrubbt Böden und Stufen, entsorgt tote Spatzen, einen blutigen Duschvorhang und hängt eine eingetretene Türe aus. Ein Tag in brütender Hitze liegt vor ihr. Milo hingegen steigt in seinen Wagen und fährt Richtung Grenze, weil er etwas erledigen muss, um sein Leben wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen und zu verstehen, was ihm passiert ist.

Und Hans ist tot.

Auf den ersten Seiten schon entwickelt Magda Woitzuck das Abbild einer stillen Tragödie, baut mit verknappter Präzision und schmerzhaft klaren Sätzen einen Alltag in der Provinz nach. Das Böse begleitet von Beginn an, unter der Oberfläche lauert eine Finsternis, die jede Zeile verdunkelt. Großartig wählt Woitzuck die Perspektive, sucht Details aus, um den Leser in die Geschichte zu ziehen, deren Stille trügerisch ist. Der Schrecken wächst, denn die lautlose Gewalt, die dieser Erzählung innewohnt, steigert sich von Seite zu Seite. Man ergreift Partei, entsetzt sich über das Verständnis, das die Schriftstellerin weckt, obwohl das klar Böse mit Bösem bekämpft wird und Reue nicht entsteht. Ein seltsames Gefühl von Distanz umhüllt die Figuren, als bewegten sie sich unter Glasstürzen. Selbst in größter intimer Nähe, eingestandener Liebe klingt immer noch Einsamkeit durch.

Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr erkennt man die Verflechtungen, Ursachen und Wirkungen. Es sind lauter kleine Tragödien, die zur großen geführt haben. Es sind Enttäuschungen, Missverständnisse, das Verwechseln von Liebe mit Lust, fehlende Stärke im richtigen Augenblick. Es sind Dialoge, die eigentlich nebeneinander geführte Monologe sind. Es ist die Aufzeichnung eines Lebens, das wir aus unserem Umfeld zu kennen glauben, vielleicht ein wenig überhöht, aber auf jeden Fall vertraut. Darum schmerzt es umso mehr, wie überzeugend die Erzählerin das Porträt einer Liebe zeichnet, die eine Hölle braucht, um das Licht zu erreichen.

 Die Österreicherin Magda Woitzuck, geboren 1983, hat bereits mit unterschiedlichen Texten Preise erhalten. „Über allem war Licht“ erschien in einem neuen Verlag, der nicht nur handwerklich schön gestaltete Bücher auf den Markt bringt, sondern mit vielversprechenden, vielleicht noch unbekannten Autoren punkten will. Woitzucks Talent, eine Dreiecksbeziehung so eindringlich und neu zu beschreiben, lässt auf weitere schöne Überraschungen hoffen, denn dieser Roman gehört zu den beeindruckendsten Liebesdarstellungen dieses Bücherjahres, und das liegt an der Sprache, der vordergründigen Ruhe, der Stimme der jungen Österreicherin.

Magda Woitzuck
Über allem war Licht
Wortreich Verlag
2015 · 264 Seiten · 19,90 Euro
ISBN:
978-3-9503991-2-7

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