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Kritik

Alpia, Böll und Overstolz

sexy-mini-super-flower-pop-op-cola und mehr "Made in Cologne"

„Die Frauenzimmer danken für die Cölner Wohlgerüche“, ließ 1814 bereits Johann Wolfgang von Goethe nach Erhalt einer 16 Flaschen umfassenden Duftwassersendung „Original Eau de Cologne“ dem Hause Johann Maria Farina übermitteln, heute älteste Parfum-Fabrik der Welt.

Heinrich Böll notierte 1941, da aus gesundheitlichen Gründen während des Zweiten Weltkriegs von der Front in seine Heimatstadt Köln abkommandiert: „Ich bin dann in die Sidol-Werke arbeiten gegangen.Gesetztere Jahrgänge werden sich erinnern an den in Braunsfeld produzierten Sigella-Bohnerwachs wie Lodix-Schuhcreme, vorrangig an Sidol-Metallputzmittel – „von führenden Heinzelmännchen empfohlen“.

Und Bölls Kollege Paul Schallück soll zeitweise der Overstolz-Raucherbeinfraktion angehört haben mit beispielsweise dem anhaltend höchst schöpferischen großen Kölner Schriftsteller Jürgen Becker. Folgend, als bescheidene Erinnerung zitiert, der markante Anzeigen-Paarreim: „Leicht bekömmlich muss es sein – wie die Overstolz vom Rhein“. Überliefert zudem, dass der bis zur Stunde unangefochtene Meister-Anthologist Hans Bender (92) ehemals gerne Güldenring inhalierte, eine weitere namhafte Zigarettenmarke aus dem traditionsreichen Haus Neuerburg.

Ach ja, die Rede ist von „Made in Cologne – Kölner Marken für die Welt“.
Eine rundum sehenswerte Ausstellung des Kölnischen Stadtmuseums, in  wenigen Minuten bequem zu erreichen vom Hauptbahnhof aus. Der begleitende Katalog überdies ein vorzüglicher Nostalgiefundus. Indes belegt jenes Kleinod im Einklang mit der Ausstellung nachwirkend, dass Köln nicht nur Stadt des Doms, Karnevals, der Medien ist. Völlig unterschätzt wird Kölle eh als Stammplatz von Tünnes un Schäl wie als ewige Klüngelmetropole überschätzt.

Vielmehr hat Kölns wirtschaftliche Internationalität eine lange und stolze  Tradition. Seit jeher werden durch gewachsene Infrastrukturen und qualifizierte Fachkräfte weit übers Rheinufer hinaus bewährte Produktmarken entwickelt. Viele davon behaupten sich bis heute auf den Weltmärkten; Ford oder die Deutz AG hier, dort Klosterfrau, Kölnisch Wasser oder Palliativ-Cream („Unerreicht in der Welt“ - nach wie vor, darf angefügt werden). Andere, wie afri-cola („sexy-mini-super-flower-pop-op-cola“) oder Stollwerck (vom Schokoladenautomat Bruno bis zu Hennes Weisweilers TV-Hochruf „Alpia verwöhnt alle Fußballfreunde“) oder des iPods Urgroßvater namens Tefifon, gehören lange schon in die erste Reihe unvergänglicher Reklame-Ikonen.

Das Kuratoren-Team des Museums hat sich den Projektthemen mit gelungenen unkonventionellen Präsentationen angenähert, die leuchtende Einblicke in Werbesternstunden beschert von den Agrippina-Versicherungen („Auf Nummer sicher“) über die Clouth-Werke („Gummi zu Lande, zu Wasser und in der Luft“), Opekta („Hausfreund der sparsamen Hausfrau“) bis hin zu Rimowa („Der Koffer mit den Rillen“). Zahlreiche unterhaltsame interaktive Elemente laden interessierte Besucher zum selbst Erleben und Entdecken ein.

Übrigens: Wer wusste bislang, dass der zunehmend die Republik aufröhrende Kabarettist Jürgen Becker vor seiner Heimathirsch-Karriere als Grafiker für 4711 Werbemittel, Tosca-Plakate etwa, herstellte?! Freilich: Dass das einheimische Nationalgetränk Kölsch ebenfalls in Übersee erfrischend zischt, dass im Big Apple oder gar an der Chinesischen Mauer Obergäriges verinnerlicht wird, dürfte längst kein Geheimnis mehr sein im Brandenburgischen wie im Bayernland …
Nicht zuletzt – selbst von dort aus ist „Made in Cologne“ ein guter (Ferien-)Reise-Tipp. Und, prinzipiell, als Mitbringsel wie Solo höchst empfehlenswert der die Ausstellung begleitende Katalog.

Mario Kramp · Ulrich S. Soéniu (Hg.)
Made in Cologne
J.P. Bachem
2011 · 128 Seiten · 9,95 Euro
ISBN:
978-3-761625446

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