Auf den Hund gekommen
Wie ist Marion Poschmann auf den Hund gekommen? Eine klare Antwort auf diese Frage finden wir in ihrem schmalen Buch „Hundenovelle“ nicht. Möglicherweise gab ein persönliches Erlebnis den Anstoß. Und worin besteht das außerordentliche Ereignis, worin liegt die unerhörte Begebenheit, die für eine klassische Novelle das charakteristische Merkmal darstellt? Das besondere Ereignis liegt darin, dass der Ich-Erzählerin ein schwarzer Hund zuläuft, dies geschieht allerdings schon auf Seite 2. Der Hund ist Leitmotiv und Dingsymbol zugleich. Die Handlung spielt in einer Großstadt im Sommer, genauer gesagt während der Hundstage, jener besonders heißen Zeit in Mitteleuropa zwischen Ende Juli bis Ende August: „aber dennoch meinte ich, etwas müsse daraus erwachsen, diese Hitze auf etwas hinauslaufen, sich immer weiter steigern und dann zu etwas führen, was ein Einbruch war, ein Ergebnis oder ein Schock.
Der Hund ist anhänglich, die Protagonistin kümmert sich zunächst nur widerwillig um ihn. Aber sie gewöhnt sich an das Tier und betrachtet mit Interesse sein Verhalten. Ihre Betrachtungen des Hundes führen immer wieder zu Reflexionen über ihr Leben, speziell über das Zusammenleben mit ihrer kürzlich verstorbenen Mutter. Trotzdem entschließt sich die junge Frau eines Tages, den Hund auszusetzen. Tage später sitzt er abgemagert vor ihrer Haustür. Die Frau schleift ihn in ihre Wohnung und versucht ihn aufzupäppeln: „Der Hund legte den Kopf auf die Fußmatte. Er sah zufrieden aus. Er war tot.
Der Tod des Hundes als Ergebnis ihres Handelns schockt die Erzählerin und wirft sie endgültig aus der Bahn. Sie irrt nachts ziellos umher, ihre Wahrnehmungen werden surreal: „Dunkelblaue Menschen bewegten sich durch ein wässriges Violett… Der Raum betrachtete mich von allen Seiten, er sah gleichzeitig von überallher, alle Ausrichtungen des Raumes schienen auf mich zuzulaufen.“ Zum Schluss erscheint bedeutungsschwanger das Sternbild des Großen Hundes über dem Horizont.
Von der Art der literarischen Darstellung, der detaillierten Beschreibung einer Zweierbeziehung, weist dieser Text strukturelle Ähnlichkeiten mit Poschmanns erstem Buch „Baden bei Gewitter“ (2002) auf. Während man die 1969 in Essen geborene und seit Jahren in Berlin lebende Autorin für ihre Gedichte, insbesondere für den Band „Grund zu Schafen“ (2004), sowie ihren großartigen, weil motivisch so besonderen „Schwarzweißroman“ (2005) nicht genug preisen kann, bleibt die „Hundenovelle“ doch eine Enttäuschung. Zwar sind auch hier einige Passagen, speziell die Naturbeschreibungen, poetisch durchaus gelungen, aber die Handlung bleibt allzu vorhersehbar und die motivische Durchdringung gewinnt zu wenig an Tiefe. Nebenbei stört, dass das Buch in der alten Rechtschreibung verlegt wird. Diese Maßnahme liefert nämlich keinen poetischen Mehrwert, sondern wirkt im Jahre 2008 nur noch nervig. Aber auf ihren nächsten Gedichtband sollten wir uns trotzdem freuen.
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