„Es dunkelt schon in diesen händen“
Ein kurzer Gang durchs Buch zeigt mehr als deutlich, daß Markus Hallingers Gedichte auf ländliche Sujets konzentriert sind. Ihre Sprache jedoch ist urban, unbequem, unruhig — und dennoch oft von einem stilleren Atem beseelt. Die Gedichte in diesem Widerspruch auf einen einfachen Nenner zu bringen, nähme ihnen manches von ihrer Vielgestaltigkeit. Doch worin besteht das titelgebende (und damit letztlich auch programmatische) „Eigene“? Es umklammert den Band, und zwar als der eigene Blick auf die Dinge der unmittelbaren Umgebung und die Dorfbewohner, der qua Sprache das Fremdartige in eben jenes Eigene verwandelt und zugleich den Beobachtenden ins Abseits stellt, „gegen den wind“, und zu einem Fremden wiederum für das macht, was er betrachtet und beschreibt.
Das Ländliche (in diesem Fall ein nicht namentlich genanntes oberbayerisches Dorf) ist einerseits die Landschaft selbst, andererseits ihre Bewohner. Natürlich verklärt Hallinger hier nichts zur Idylle. Aber man spürt, daß er die Natur liebt. Die Bäume, die Alleen, der Winter, die Pferde — sie sind das Inventar, dessen Sprache rauh ist, fast ein wenig „breitbeinig“, wie jener, der sinnend übers Feld stakst. Seine Rede soll fest und klar sein, wie bei einem, der in einen Schacht mit einem Kerzenlicht greift, fordert Hallinger im Schlußgedicht — und trotzdem entzieht sich vieles der Sprache. Deshalb endet das Buch folgerichtig mit dem Satz: „Es dunkelt schon in diesen händen“, und stellt den Eigen-Blick als Artefakt neben die Natur, die nämlich längst schon Spuren der künstlichen Bearbeitung, d.h. der Domestizierung aufweist: „Baum wird zu fels, / das feld der milch das schwein / dem brot zur seit gestellt, / was sprachlos macht, ein artefakt.“ Sprachlos ist das Unbegreifliche, und doch gelingen Hallinger eindrückliche landschaftliche Miniaturen, die man gern liest, weil man sie viel zu selten antrifft.„Als ob du webst / ein netz um jeden winkel hier“, um nicht nur die Natur, sondern auch sie einzufangen, die Gestalten des Dorfs. Sind es für den Land-Vermesser noch „schnurlose Tage überall“, werden die Distanzen zur Stadt bereits zusammengeschnürt, mit einer Busfahrt etwa: „Nur wer besoffen ist, schreit aus dem fenster / den kartoffelacker an.“ Es wird laut, es wird unartikuliert, sprachlos, sobald Menschen die Bühne betreten. Vieles in der dörflichen Atmosphäre ist befremdlich, sogar abstoßend, und doch gibt es jene Gestalten, die man gern Originale nennt und die vielleicht ganz typisch sind; ihnen widmet Hallinger einige Porträts, die eine große Zuneigung ausstrahlen und gleichzeitig eine unerklärliche Distanz kaum verbergen können.
Markus Hallingers Debutband ist in der Tat ein wunderlicher Gang über die Feldwege, Holzwege, Dorfstraßen: Reflektiert, zuweilen zynisch gebrochen, aber voller Einfühlung und Sympathie. Viel Fremdes, aber noch mehr Eigenes. Ein Band, der beweist, daß es keine literarischen Provinzen gibt.
Fixpoetry 2013
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