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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

In Mahlers Welt

Hamburg

Aus: Franz Kafkas nonstop Lachmaschine, Reprodukt, S. 51

Das Geniale an Robert Musils Mann ohne Eigenschaften ist, dass beide Bände gleich dick sind, sodass man „super die Playstation draufstellen“ kann. So sieht es zumindest ein Journalist in Nicolas Mahlers neuem Comicband Franz Kafkas nonstop Lachmaschine, der von allerlei lustigen und skurrilen Begebenheiten aus dem Leben des Zeichners erzählt. Seitdem der Comic nicht mehr Comic heißt, sondern Graphic Novel, boomt er. Und damit auch die Auftragslage von Nicolas Mahler, der für den Suhrkamp Verlag Werke von Thomas Bernhard und eben Robert Musil als Comic adaptiert. Sein Mann ohne Eigenschaften schafft es jedoch nur noch auf 150 von ursprünglich über 2000 Seiten. Die Playstation findet auf diesem schmalen Band keinen Platz mehr, die Genialität des Werkes ist dahin. Das bestätigt auch ein in Mahlers Comics auftretender Germanist; gut erkennbar an einem mehrfach um den Körper gewickelten Schal.

Dabei hat es der Comic sogar in Intellektuellenkreisen nicht mehr annähernd so schwer wie noch vor einigen Jahren. Keine erzählerische Form fasste zuletzt einfacher Fuß im Buchhandel und im literarischen Betrieb. Und das scheint gerade daran zu liegen, dass nun nahezu jedes bedeutende Werk der Weltliteratur als Bildergeschichte vorliegt. Das Feuilleton freut sich meist über „gelungene Adaptionen“; der Leser freut sich hingegen über die Zeit, die der mit der Musil-Graphic Novel spart. Auch auf Fachtagungen und Germanistenkongressen ist die Graphic Novel inzwischen Thema. Ist es für die Zeichner also höchste Zeit zur Selbstreflexion?

Zumindest Nicolas Mahler scheint diese Frage mit „Ja“ zu beantworten. Franz Kafkas nonstop Lachmaschine ist bereits sein vierter autobiographischer Band. Meist geht es darin um seine Arbeit als Zeichner, und die daraus resultierenden, teilweise absurden Gespräche mit Lesern, Kollegen oder Verlegern, die für Außenstehende nur komisch wirken können. Bei einer Signierstunde sucht ein Rentner lediglich eine Sitzgelegenheit, in einem Kulturinstitut schätzt vor allem eine blinde Mitarbeiterin Mahlers Arbeiten und ein Freund rät ihm, nur noch jedes zweite Bild zu zeichnen, um der ewigen Wiederholung der panels zu entgehen. Hinzu kommen zahlreiche beobachtete Situationen in Buchhandlungen, ein Telefonat mit der Mutter oder die unfreiwillige Flucht von einer Buchmessenabendveranstaltung in „die lange Nacht der Sterbehilfe“.

In Mahlers Band verbindet sich die unfreiwillige Komik des Alltäglichen mit dem Witz des Zeichners. Der ist mal trocken, mal böse, oft beides, aber immer intelligent. Dabei ist Mahler jegliche Koketterie fremd. Seine minimalistischen Figuren, die aus wenigen Strichen und großen Nasen bestehen, sorgen für das nötige Understatement und eine gehörige Portion (Selbst-)Ironie. Besonders schön verdichten sich all diese Qualitäten in dem Kapitel Die Hundehütte. Mahlers Comic-Ich liegt wegen einer Nebenhöhleneiterung in einem Behandlungszimmer zur Bestrahlung. Während sein Kopf unter dem hundehüttenartigen Apparat schmort, absolviert neben ihm eine ältere Dame einen Hörtest. Als Leser hat man seine helle Freude daran zu erleben, wie Mahler solche Szenarien auf eine böse Pointe zulaufen lässt. Dabei arbeitet er aber nie mit effektheischenden Gags, sondern immer mit einem sich allmählichen verdichtendem Humor. So wird Franz Kafkas nonstop Lachmaschine zu einem herrlichen Kommentar zur Comicszene und zum Leben eines ihrer Protagonisten. Eine ironische Bestandsaufnahme zwischen Thomas Bernhard, Germanisten und Lesepublikum.

Nicolas Mahler
Franz Kafkas nonstop Lachmaschine
schwarzweiß
Reprodukt
2014 · 128 Seiten · 16,00 Euro
ISBN:
978-3-943143-93-5

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