Was ist deutsch? – Trawny hierzu und zu Adorno
Peter Trawnys kleiner Band vereint einerseits bewundernswert gleich drei Fragen: jene, was Adornos Denken heute vermöge, jene, was deutsch sei, und jene mit den ersten beiden verbundene, wie man mit dem „Diskurs-Vakuum” umgehen solle, das gegeben ist, seit deutsch eben nicht mehr die „Bundesrepublik Adorno” ist, von der Felsch sprach: Adorno war der öffentliche Intellektuelle, der auch Briefe beantwortete, Rundfunk und andere Medien nutzte, kurzum genau nicht im von ihm allerdings verteidigten Elfenbeinturm sich befand, den man heute gerne mit ihm assoziiert. Eine Gestalt wie der öffentliche Denker Sartre oder Foucault in Frankreich, wo die entsprechende Tradition insgesamt glücklicher sich gestaltet haben mag.
Die Frage, was das Deutsche sei, ist andererseits natürlich selbst eine Adornos, Auf die Frage: Was ist deutsch – nachzulesen in den Gesammelten Schriften (Bd 10·2); und wert, daß man den Text nachliest. Und das ist ein wenig das Problem des Buchs von Trawny, er steht in dessen Schatten, zumal, wo er ihn kritisiert: Adornos Bild des Deutschen sei „karikaturhaft[e]”, so Trawny. Das ist angesichts dessen, was das Deutsche in den 30er und 40er Jahren war, allerdings kaum möglich, als die „Vergötzung der Pflicht” Deutschland heimgesucht habe. – Adorno sieht das Deutschtum übrigens so:
„Wollte man Kant als Kronzeugen deutscher Tradition sein Recht verschaffen, so bedeutete das die Verpflichtung, der kollektiven Hörigkeit und der Selbstvergötzung abzusagen. Freilich sind die, welche am lautesten Kant, Goethe oder Beethoven als deutsches Gut reklamieren, regelmäßig die, welche mit dem Gehalt von deren Werken am wenigsten zu schaffen haben. Sie verbuchen sie als Besitz, während, was sie lehrten und hervorbrachten, die Verwandlung in ein Besessenes verwehrt.”
Keine Rede von „Urgegebenheit”, kein „sogenannter Nationalcharakter”, beides weist Adorno explizit zurück. Und an das, was er dann sagt, reicht die Kritik Trawnys meist nicht heran; viel besser ist demgemäß Trawny, wo er wirklich die Frage neu stellt, etwa an „Sarrazins Einflüsterungen”, die besagtes Vakuum zuließ, das Sarrazin ja beließ, „insinuierenden Rassismus” artikulierend, der sich gar nicht vorbringt. Er deutet bloß einen „Fruchtbarkeits-Wettbewerb” an ... und das Andeuten ist dabei Programm, wie es der Rassismus ist. Ist das deutsch? – Oder ist deutsch dies: „Treue zur Idee, daß, wie es ist, nicht das letzte sein solle”, nochmals Adorno..?
Trawnys Buch ist jedenfalls in Bezug auf Deutschland zu empfehlen.
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