Sprache auf den Leib gerückt
Im Französischen gibt es eine wunderbare Redewendung: „Casser la crôute“ - eine Kleinigkeit essen. Wörtlich: „die Kruste brechen“ und man sieht und riecht einen herrlich röschen Brotlaib vor sich, dem ein warmer Duft entströmt. Daran denke ich, wenn ich Rainer Strobelts „Strittig“ aufschlage, ein Bändchen mit dem ironischen Untertitel „Seine literaturnahen Vollkostbrösel“. Rainer Strobelt verspricht nicht zuviel. Er ist ein Meister der literarischen Miniatur, ein Sprach- und Wortkünstler. Er liebt Paradoxien und schlägt Funken aus ihrem Gegensatz: „Kurz und bündig beschließt Strittig, ewig zu leben.“ Die Figur „Strittig“ hält die 65 Brösel zusammen. Strittig mag das Wort- und Gedankenexperiment, manchmal erinnert er mich an Morgensterns „Palmström“, dann wieder denke ich an Brechts „Herrn Keuner“. Man merkt, er bewegt sich in anspruchsvoller literarischer Gesellschaft und behauptet sich dort eigenständig und gut. „Auf der Suche nach einer Mahlzeit zieht Strittig ein gefundenes Fressen vor.“ Rainer Strobelts Welt ist die Sprache. Ihr rückt er in immer neuen Versuchsanordnungen auf den Leib: „Den Blick abwendend, sieht Strittig zentraler.“ Mit dem Kunstgriff der Figur Strittig, sind die nahrhaften „Vollkostbrösel“ mehr als vereinzelte Aphorismen und Miniaturen, sie formen ein Ganzes. Und so ist sein Büchlein ein wirklicher Wurf geworden, ein „Album“. Un-Strittig!
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