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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

„Und was will ich noch mehr?”

Meys Lieder als Buch
Hamburg

Reinhard Mey – bzw. Frédérik Mey, sein Pseudonym in Frankreich schaffte es aufs Cover, nicht allerdings Alfons Yondraschek (übrigens auch im Liedtext zu Ankomme Freitag den 13. zu finden) und Rainer May – ist einer der beliebtesten Liedermacher Deutschlands.

Dies verdankt er seinem Geschick, zu kritisieren, ohne eigentlich wehzutun, zu mahnen, ohne immer zu genau zu sagen, was er einmahne, jedenfalls bis in die 90er, und manchmal die Kritik selbst zu kritisieren, sein Lied Annabelle denunzierte humoristisch die Emanzipation, schwer, sich das schönzureden, Rothschilds Beschreibung des Lieds als „Hexenjagd in Chanson-Form” ist jedenfalls nicht ganz abzuweisen… Als „Rückzugslyriker” 1 wurde Mey darum bezeichnet, bei allem Erfolg – und nicht wegen des Erfolgs, auch wenn Mainstream den Linken, die ihn so nannten, generell verdächtig sein mag. Das Wort griff dann auch Precht auf, was sozusagen schon das erste Argument dagegen sein könnte.

Denn natürlich ist es nicht ganz so einfach, da ist auch Mey, der Ironiker, der gerade Zwischentöne beherrscht, der Stil tatsächlich als Argument gegen manches was links und gut sein sollte, vorbringen kann. Und der Lyriker Mey, der ja nur aus einer eingeschränkten Sicht verpflichtet wäre, in jedem Stück und immer, wie Walter Benjamin es in seinem Text Der Autor als Produzent eher predigte denn dachte:

„Man kann erklären: ein Werk, das die richtige Tendenz aufweist, braucht keine weitere Qualität aufzuweisen. Man kann auch dekretieren: ein Werk, das die richtige Tendenz aufweist, muß notwendig jede sonstige Qualität aufweisen.”

„Abends an deinem Bett zerrinnt
Das Wichtige zur Nichtigkeit”,

schreibt (und singt) dagegen Mey vom Glück, das einem unterlaufen kann, wie immer reaktionär so etwas wie Glück oder Glücke und erst recht politisch betrachtet kleine Glücke auch sein mögen.

Dazu gibt es die vertrauten Geschichten, die er erzählt, was immer sie bedeuten mögen, denn was etwas bedeute, das ist rätselhafter als der Krimi, an dessen Ende man ja bis heute oft an die Prophezeiung denken kann, es werde wohl wieder der Gärtner der Mörder sein: „L’assasin est toujour le Jardinier”, „Der Mörder ist immer der Gärtner”…

Und es gibt auch jenen Text hier, natürlich, es sind ja alle Lieder, worin Mey Annabelle korrigieren will:

„Annabelle, was ich dir schon seit 30 Jahren sagen will:
Ich glaub’, ich habe da bei dir was gut zu machen,
Ich hab’ damals, nur damit die Leute lachen…”

Annabelle vergibt ihm, weichgespült, aber vielleicht vergibt doch auch der Linke, der so streng mit dem so bösen Mey ist, weil er „ganz ehrlich, ganz sicher, ganz dumm” ist, wie es Mey – oder Meys lyrisches Ich, aber gerade bei Mey ist das nicht immer unterscheidbar – war und zugibt. Oder ginge man da Mey in die Falle..?

Immerhin bekommt bei seinem Plädoyer für Demut ja auch der sein Fett ab, der seine Frau gezähmt vermeint, sexistisch ist, sich daneben benimmt, während sein vermeintliches Besitztum mit Mey die Ironie auf ihrer Seite zu haben scheint:

„Geschäftsmann mit der siegessich’ren Pose,
Du benimmst dich hier wie eine off’ne Hose,
Spiel’ du ruhig den wilden Maxe im Büro,
Zu Haus kneift jetzt der Gasmann deine Frau in den Po.
Ahnst du sie ihm kichernd deinen Sekt eingießen?
Spürst du, wie dir durchs Toupet die Hörner sprießen?
Jetzt bringt sie den Gasmann erst mal richtig auf Trab,
Und dann lesen sie zusammen den Zählerstand ab.

Du bist doch auch nur ein armes, kleines Würstchen,
Unter lauter andren armen, kleinen Würstchen,
Nur die meisten davon sind für die Erkenntnis blind,
Daß sie auch nur lauter arme, kleine Würstchen sind.
Wir sind alle lauter arme, kleine Würstchen
Unter lauter andren armen, kleinen Würstchen.
Wenn du schlau bist, mein Freund, paß auf, daß du nicht vergißt,
Daß du nur ein armes, kleines Würstchen bist.”

Schön ist das vielleicht nicht, nicht groß – aber liest und hört man es ungern..?

Schließlich gibt es hier auch die Texte, die die Rezeption des apolitischen Mey einfach überlas und überhörte, damit sie sagen konnte, bis in die 90er habe er sich aus Politischem herausgehalten. Seine Beschreibung aber eines Gefangenen, der zerbricht, dem von der Sprache nur der Wunsch nach Suppe bleibt, ist so ganz unpolitisch doch nicht – Politik beginnt ja mit der Teilhabe an der Sprache.

„Ich werde irgendwas gestehen,
Damit sie mich nicht länger quälen.
Ich freu’ mich, wenn es Suppe gibt,
Und sie mir meine Decke bringen.
Ich werde einfach unterschreiben.”

Mey zu lesen bleibt dabei ungewohnt; wenn man ihn kennt, dann in der Regel gehört, auch ist es nicht so, daß man alles wegen besonderer Tiefe nachlesen wollte, es überall Zwischentöne gäbe. Und da kennt man ihn vielleicht ein wenig so, wie man den „blankgeliebte(n) Bär(en)” kennt, „aus dem dich die Holzwolle piekt”, doch nicht alles hielte ohne Nostalgie dem genauen Blick stand, den Meys Gitarrenspiel hier zudem nicht ablenkt.

Manches aber schon. Manchmal sind da diese Zwischentöne, die nicht Kompromiss sind, manchmal diese Witze, die keine sind, manchmal ist da diese Skepsis, aufgrund derer das „Füchschen” dem, der wozu auch immer, und sei’s zur Skepsis, rät, nicht trauen solle, manchmal sind da diese Idyllen, die es nicht bleiben, …

 

 

 

Reinhard Mey
Alle Lieder – Toutes les chansons
edition reinhard mey
2016 · 15,00 Euro
ISBN:
978-3-925482-31-1

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