Geschäftsverbrechen
Robert B. Parkers Spenser ist nicht nur ziemlich cool, jetzt ermittelt er auch in Sachen Wirtschaftskriminalität
Geschäftsleute haben einen ziemlich schlechten Ruf. Während Recht und Gesetz sie zu Sorgfalt und Vorsicht verpflichten, gelten sie in der Literatur und in der öffentlichen Meinung als tendenziell kriminell. Futterneid? Dicke Autos, große Firmen, viel Sex, viel auf dem Konto und alles, um das gute Leben zu genießen - da mag der Gedanke schon aufkommen, wenn man sich mit der Miete, den Tilgungen fürs Auto und den neuesten Wünschen der Kindern plagt.
Allerdings sind die kriminellen Geschäftsleute zumeist gar nicht damit beschäftigt, andere Geschäftsleute übers Ohr zu hauen oder irgendwen mächtig auszubeuten, sondern gehen irgendwelchen Extrem-Hobbys nach, zum Beispiel indem sie sich bevorzugt an Kindern vergehen. Der gewöhnliche Wirtschaftskapitän im Krimi ist also nicht nur mächtig und reich ist, sondern auch noch sexuell pervers.
Dabei liegen die wahren Verbrechen ganz woanders, wie uns die vergangenen zehn Jahre gelehrt haben und wie ein gewisser Karl Marx wohl schon vor 150 Jahren herausgefunden haben soll: Wer erinnert sich an den Enron-Skandal? Ein Konzern aufgebaut auf Luftbuchungen. Flowtex – das Ganze nur eine Nummer kleiner.
Und was war noch mal mit den Stellvertreterkriegen in Afrika und im Orient um Öl, Bodenschätze und neuerdings um sogenannte Seltene Erden?
Aber was heißt schon Verbrechen? Wer weiß noch von den Hintergründen der Krise um 2008? Faule amerikanische Immobilienkredite, die um den ganzen Globus verscherbelt wurden. Was ist daran ein Verbrechen, wenn alle Beteiligten wissen konnten, dass dieses Schneeballsystem irgendwann kollabiert, wie jedes Schneeballsystem kollabiert.
Und nun der Fall Kinergy, ein fiktiver amerikanische Großkonzern, der mit Energie zu tun hat und börsennotiert ist. Was genau da jemand macht, um Geld zu verdienen, ist nicht wirklich erkennbar. Immerhin taucht auch mal ein Kraftwerk in der Erzählung auf.
Spenser, der wie stets wortgewaltige, schlagkräftige und dabei seiner Susan so treue Privatermittler wird von einer Dame der Gesellschaft angeheuert, ihrem Mann nachzuspionieren. Der hat angeblich was mit einer anderen, und die Dame will Gewissheit.
Die bekommt sie, denn der Mann ist kurze Zeit später tot, der Sicherheitschef der Firma, in der er als Finanzvorstand arbeitete, folgt bald. Zwei Tote in einer Firma, beide in neuralgischen Positionen, da muss etwas mehr dahinter stecken, als die Partnertauschgeschichten, auf die Spenser bald stößt und in die auch seine Auftraggeberin verwickelt ist.
Es geht am Ende selbstverständlich darum, dass die Firma eigentlich nur noch auf Zeit Bestand haben kann. Sie ist künstlich aufgehübscht worden für die Börse, damit ihre Kurse stetig steigen. Die beiden verantwortlichen Vorstände machen derweil ihre Aktien zu Bares. Eine der beiden Frauen will ihr eigenes Schnäppchen machen. Es braucht dafür nur noch einen Lover, der Zugang zu einem Killer hat – und so kommt es dann zum toten Finanzvorstand und weiterem.
Es ist keine brave Welt, und in den Großkonzernen der Welt herrscht keine friedliche Stimmung. Hier gilt es weiterzukommen und abzusahnen. Die unteren Chargen reden den oberen nach dem Maul, die oberen tun freundlich und sind sich spinnefeind. Frauen müssen hier härter und bissiger sein, um erfolgreich sein zu können. Während es doch vor allem darum gehen sollte, Geschäfte zu machen, sind die Beteiligten eigentlich nur an sich selbst interessiert. So etwas geht nicht gut, und das wissen wir schon lange.
Im Vergleich dazu ist jene kleine böse Welt, in der sich der Held von zahlreichen Parker-Geschichten, Spenser genannt, bewegt, von geradezu verblüffender Seriosität und hinreißender Ethik geprägt.
Spenser selbst ist wie seine Kumpel, die als Bodyguard, Ermittler oder Schreckgespenst agieren, ein ziemliches Großmaul. Keiner von ihnen scheut sich davor zurück, gegebenenfalls einen der Bösen niederzustrecken und mehr. Sie beschreiben sich selbst als Kriminelle, und in jedem Fall als die Besten in ihrem Fach.
Natürlich erhalten sie jede Menge sexueller Avancen, aber sie sind selbstverständlich nicht nur potent und gutaussehend, wenigstens aber attraktiv und geheimnisvoll, sie sind auch noch ihren Liebsten ganz besonders treu. Sie sind die liebevollen und empathischen Liebhaber, die sich auf die Bedürfnisse ihrer Frauen einstellen, gut bis besser für sie kochen und sich ansonsten gern als deren Schmuckstücke einsetzen lassen.
Ja, diese harten Jungs sind hier besonders weichherzig, dabei aber nicht willfährig oder unterwürfig, sondern nur selbstgewisse, starke Jungs mit großer Zuneigung.
Das war schon im Hardboiled-Helden der 1920er Jahre angelegt: die zwielichtige Stellung in der Gesellschaft, sein gebrochener Lebenslauf, seine große Selbstverpflichtung, seine Behauptung, Aufgaben nur gegen Geld annehmen zu wollen, die aber nicht seiner Neigung entspricht, Ermittlungen, die einmal übernommen wurden, bis zur bitteren Neige zu verfolgen, koste es was es wolle. Honorar? Egal, wer braucht so was.
In diesem Fall rechnet Spenser am Ende sogar ab, und das gewaltig. Aber seine Auftraggeberin kann sich das ja erlauben.
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