„von allzu betonten Sinneffekten befreit”
Ich war auf diese Biographie sehr gespannt – vor allem die Frage, ob bei Barthes, dessen Leben so sehr in Büchern aufzugehen scheint, eine Biographie nicht doch zur sich am Werk orientierenden Monographie geraten müsse, machte mich neugierig, wobei freilich bei ihm ja auch Leben ins Buch dringt, also dies seine Biographie dann gerade sein könnte: Aufgrund der „analytischen Unschärfe und genialischen Monologizität” sei Roland Barthes’ Le Plaisir du Texte bis heute eine „Provokation der Literaturwissenschaft”, schrieb Thomas Anz jüngst, dieses Surplus, dieses Defizit – wer wollte abstreiten, daß das die Lebendigkeit Barthes’ sei, damals und bis heute? Vergnügen als Theorie? Theorie als Vergnügen..!
Ganz soviel Esprit hat dann die sehr gründliche Biographie von Tiphaine Samoyault nicht; im Bemühen um Vollständigkeit wird etwa seitenlang gleich zu Beginn darüber schwadroniert, ob Barthes sich aufgegeben hatte, als er starb, wer den Unfall gemeldet hatte, an dessen Folgen er womöglich starb, daß der Zeuge, der den Unfall meldete – und die Relevanz dessen fürs Verständnis von Barthes ist unermeßlich –, nicht Michel Foucault gewesen ist, nein, sondern Robert Mauzi… Oft findet sich Spannendes, gewiß, etwa eben zu dem Begriff des Lebens und des Todes oder der Tode, zu Barthes’ Stimme, einer „von allzu betonten Sinneffekten befreiten Diktion”, die seine Art der Interpretation sozusagen hörbar mache, die Beschreibung einer determinierenden Freundlichkeit … und auch die Frage, die vorweg sich mir stellte, wird hier auch behandelt: „Wie aber ein Leben beschreiben, das ganz und gar mit Schreiben ausgefüllt war?” Sie allerdings verliert sich dann eben bald wieder, zu Ungunsten eines Buchs, das mit dieser Verlegenheit nicht sonderlich gut umzugehen weiß. Die „langsame Lektüre” als „hartnäckiges Biographem” ist dann schon wie die Beschreibung der „Apophasis des Überflüssigen” fast ironischer Bescheid an jene, die aus dieser Frage Spannung erwartet hatten, ein intellektuelles Abenteuer, dem indes die Spannung oft schier zerfasert. Nicht gemeint ist damit die Differenziertheit, die manche Passage auszeichnet, sondern wirklich diese epische Breite, aus der sich manchmal geradezu systematisch nichts ergibt, was besonders ungut dann wird, wenn diese Breite in einem name dropping resultiert, dann aber genau da, wo man zu diesem etwas hören will, der Text dann abbricht. Ein Mißverhältnis, mitunter.
Alles in allem ist das Buch also unvermeidlich, wenn man Roland Barthes kennenlernen will, es ist ja die Biographie … aber dazu, dieses Buch darüberhinaus zu empfehlen, kann man sich nicht wirklich durchringen.
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