Enjoy!
Dies ist keine Kritik. Dies ist eine Besprechung (aber vielleicht ist es eher eine Anrufung, wer weiß das schon).
Singe! Forsche! Sag es noch mal: Ich will dich,
Šalamun.
Als Vorlage für diesen Text diente mir ein violettes Buch mit grünem Schutzumschlag. Sein Titel:
Rudert! Rudert! (einen Gedichtband mit einem solchen Titel musste ich einfach haben, und basta).
Ihm zugrunde liegen Gedichte des Slowenen Tomaž Šalamun. Geboren wurde er 1941 in Zagreb, aufgewachsen ist er in Koper, heute lebt er in Ljubljana, jener Stadt von deren Schönheit ich schon so viel hörte, dass ich es mittlerweile vermessen fände, dahin zu reisen.
Und auch von Šalamun hörte ich schon einiges. Zuletzt begegnete er mir in einer portugiesischen Übersetzung auf der Homepage meines Freundes und Kollegen Ricardo Domeneck, was ich mir im Nachhinein nicht mit einem Zufall erklären kann. Šalamun ist weit gereist und weltgewandt. Ein Umstand, der mir irgendwie zur slowenischen Dichtung zu passen scheint, und auch dass sich hier, in der slowenischen Dichtung, die Einflüsse der Moderne und Postmoderne ihren ureigensten Ausdruck suchen.
Vor ein paar Wochen auf der Messe drückte mir Hans Thill vom Künstlerhaus Edenkoben einen Band von Veno Taufer in die Hand, auch ein Slowene. Wasserlinge, so heißt das Buch, verdient eine eigene Besprechung, hier sei nur angemerkt, auch dieser Text verweist auf eine eigene (slowenische) Interpretation moderner Dichtung.
Zuweilen ertappe ich mich bei dem Gedanken, in Slowenien das Herz der europäischen Dichtung zu finden. Aber die Slowenen, scheint es, sind immer unterwegs – zum Beispiel Šalamun.
Er verbrachte Zeit zum Beispiel in den USA, und wenn man seine Texte liest, so meint man, auch Nordafrika sei ihm nicht fremd.
Aber natürlich handelt es sich hier in Rudert! Rudert! nicht um kunstvoll entworfene Postkartentexte, sondern um oszillierende Gebilde ohne feste Ränder. Sie sind nicht auf den Punkt zu bringen, entziehen sich beständig einem begrifflichen Zugriff, aber wie sie das tun, ist an Eleganz kaum zu überbieten.
Derzeit mein Lieblingstext in diesem Band heißt: ICH BIN AN SOWAS NICHT GEWÖHNT, LEUTNANT, ICH BIN AN SOWAS NICHT GEWÖHNT! und er enthält unter anderen folgende Verse:
Jeder muss lernen, beim Schreien zu laufen.
Mein ist die Glaswolle.
Mein ist das Heu.
Ich lese diesen Text seit einiger Zeit mehrfach am Tag, und hoffe, hinter sein Geheimnis zu kommen. Das ist, nicht unbefriedigend, sondern setzt Lust frei. Weil das Umkreisen eines eleganten Textes ja eben das ist, was auch Verstehen bedeuten kann. Ein Übersetzen nicht in Sinn, sondern in Beweglichkeit (gedankliche, aber auch körperliche).
Und da sind wir schon beim zweiten Punkt. Es sind nämlich zwei Bücher in einem. Das Buch beschließt ein Essay von Monika Rinck, die hier als Übersetzerin fungierte.
Damals fragte mich Tomaž Šalamun, ob ich einige Texte von ihm übersetzen wolle, die seinem langjährigen kongenialen Übersetzer Fabjan Hafner nicht unmittelbar einleuchteten.
Eine bessere Übersetzerin, als die diesjährige Huchelpreisträgerin kann man sich für diese Texte kaum denken, weil diese Texte eine Freiheit voraussetzen, eine semantische Freiheit sozusagen, die man sich erst einmal entwickeln muss, und über die Rinck verfügt. Denn dass die Texte nicht unmittelbar Einleuchten, aber leuchten, ist in der Übersetzung erhalten geblieben. Und gerade darin, in ihrer Mittelbarkeit, in den semantischen Ketten, die diese Texte auslösen, liegt ihr Reiz.
Nicht zum ersten Mal, und wahrscheinlich (oder ganz sicher) nicht zum letzten, hat mir ein Buch der Edition Korrespondenzen ziemlich anregende Stunden beschert. Der letzte Satz in Rincks Nachwort besteht aus einem einzigen Wort und einem Satzzeichen: Enjoy! Dem kann ich mich nur anschließen.
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