Roadmovie durch Marokko
Thom ist ein erfolgreicher und gutverdienender Werbefachmann aus Berlin. Nachdem er einen Auftrag erfolgreich abgeschlossen und sich damit einen finanziellen Polster erarbeitet hat, reist er nach Marokko, um sich eine Auszeit zu leisten. Selbstverständlich fährt er dorthin mit seinem neuen roten Sportwagen. – Und ehe er sich versieht, ist sein Wagen weg, noch bevor er die erste Nacht verbracht hat.
Der Hotelchef in Tetuan geht die Treppe voraus, um Thom das Zimmer zu zeigen, ein Junge folgt ihnen, dem Thom den Wagenschlüssel gibt, in der Meinung, dieser sei vom Hotelpersonal. War er aber nicht. Der Hotelchef seinerseits glaubt, der Junge sei in Begleitung von Thom gekommen.
Schon bald muss Thom erkennen, dass es nahezu aussichtslos ist, seinen Wagen wieder zu finden. Ein Beamter fragt ihn, wann der Wagen gestohlen wurde? „Vor einer halben Stunde.“ – „Da sind sie gerade dabei, ihn umzulackieren“, womit der Beamte die Situation in seinem Land auf den Punkt bringt. Da für ein derartiges Auto horrende Zollgebühren gefordert werden, ist es wesentlich einfacher, eines zu stehlen.
Dennoch versucht Thom noch einige Zeit, Verbündete zu finden, Leute, die vorgeben, etwas zu wissen, und ihm versprechen, Informationen zu liefern. Allesamt Blindgänger, die eher darauf aus sind, sich ein paar Scheine zu verdienen.
Nach und nach gewinnt Thom Abstand zu seinem Wagen, verblasst das Symbol der westlichen Werteskala, indem er Menschen kennenlernt, die ihm einen Einblick in die Kultur des Landes vermittelten. Mehr noch: Er erfährt einen Prozess der Selbstfindung, erlebt so manches Abenteuer, dringt in eine sonderbare Höhle ein, besteigt einen hohen Berg. Wie ein roter Faden zieht sich diese Odyssee der Selbstfindung durch das Buch. Fast ein wenig zu schnell erlernt er so viel von der Umgangssprache Daridscha, dass er sich verständigen kann.
Existieren Dschinne tatsächlich?
„Siehst du die große dunkle Stelle dort drüben an der Steilwand?“
Ja, er sieht eine Höhlenöffnung und weitere kleine Löcher in deren Nähe.
„Dort drinnen wohnen Dschinne. Niemand kann hinaufklettern, der Fels ist eine glatte Wand. Die Dschinne gehen durch die Luft hinein.“
„Kannst du das sehen?“ will Thom wissen.
„Ich nicht, andere haben es gesehen. Mein Onkel hat erzählt, dass drinnen ein alter Dschinn haust, der ist angekettet mit eisernen Ketten an Händen und Füßen. Nie kann er heraus, die anderen Dschinne versorgen ihn.“
„Aber wenn niemand da hinaufklettern kann, dann hat auch niemand hineingeschaut. Wie kann dein Onkel das dann erzählen?“ Thom denkt nur vernünftig und erwartet das gleicherweise von jedem anderen.
„Es ist wohl so, alle im Dorf wissen es.“
Inzwischen ist Thom in den Süden des Landes gelangt, in die Gegend der Berber. – Dort lernt er Tura kennen, die Tochter seiner Quartiergeberin, und verliebt sich in das Mädchen, das in diesem traditionsbewussten Umfeld mit einem Makel behaftet ist, da sie von ihrem Verlobten verlassen wurde. Uwe Topper schildert ausführlich die Hochzeitsbräuche, denn Thom und Tura wollen heiraten. – Allerdings tauchen unvermutet Probleme auf, denn Thom hat seine Aufenthaltsdauer von drei Monaten bereits überzogen, und die Behörden möchten von ihm erfahren, wo sich sein Auto befindet, das in seinem Pass eingetragen ist. Dass es gestohlen wurde, das könne jeder behaupten. Man verdächtigt Thom, dass er es verkauft hat. Die Bürokratie schikaniert ihn, die Beamten demonstrieren ihre Macht, bis er schließlich im Gefängnis landet. Die Umstände, wie er daraus befreit wird, muten reichlich unglaubwürdig an. Da dürfte die Phantasie mit dem Autor durchgegangen sein.
Uwe Topper erklärt zahlreiche Begriffe, wie Medina, Suk sowie etliche andere Begriffe – zudem würzt er seinen Roman mit Märchen und Träumen sowie mit einer eindringlichen Schilderung der Atmosphäre eines Konzertes des alljährlichen Musikfestivals in Essaouira.
Bis er schlussendlich seinem Auto wieder begegnet: nichts als ein Haufen Schrott, den der Sprössling einer höchst angesehenen Familie verursacht hat. Wenigstens kann er beweisen, dass er sein nicht verkauft hat.
Wieder zurück in Berlin, erfährt Thom, dass Tura Zwillinge geboren hat. Zum zweiten Mal wurde sie von einem Mann im Stich gelassen. Trotz seiner Bemühungen einer „Selbstfindung“ bleibt er ein Egomane. Über einen Mittelsmann lässt er Tura den „gigantischen“ Betrag von hundert Euro zukommen. Offenbar ist er noch weit davon entfernt und noch nicht bereit, sein weiteres Leben in Marokko und mit Tura und seinen Kindern zu verbringen. Ob er Tura irgendeines Tages nach Berlin holen wird, bleibt offen.
Fixpoetry 2015
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Neuen Kommentar schreiben