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Kritik

Du mit deinem leisen Lächeln

Werner Buchers Gedichte zur holden Weiblichkeit

Pünktlich vor Weihnachten schlug die große Stunde vieler Musik- und Literaturverlage: unter Aufbietung lautester Werbetrommeln kamen die „größten Erfolge“ beliebter Künstler in neuer Aufmachung als „Best of“ in den Handel, um neben vollen Kassen oftmals auch ein flaues Ge-fühl und leise Enttäuschungen zu hinterlassen. Einzelne Stücke/Texte werden da auf Teufel komm raus zur ominösen „Gold-Collection“ zusammengeschraubt und in dubiose Zusammen-hänge gebracht, 20 alte Tracks in Zweit- oder Drittverwertung, garniert mit einem neuen Bonus-Track, den der Sammler unbedingt haben muss ...

Sind diese herz- und sinnlos zusammengeschusterten Produkte die Regel, so gibt es selbstver-ständlich auch Ausnahmen, die umso erfreulicher sind. So ist nun beim Waldgut Verlag, der sich fernab des Mainstreams seit längerem um die Lyrik verdient macht, unter dem Titel Du mit deinem leisen Lächeln ein Sammelband von Werner Bucher erschienen. Gesammelt sind Gedichte, die ausschließlich den Frauen gewidmet sind – ein Buch, das seine Berechtigung schon dadurch erfährt, dass es sich um Texte aus mehreren Jahrzehnten und inzwischen nur schwer zugänglichen Bänden handelt.

Du mit deinem leisen Lächeln – der im schweizerischen Frauenfeld beheimatete Waldgut Verlag ehrt den in Zürich geborenen Autor, orte-Herausgeber und Verleger mit einem reizvoll ausstaf-fierten Band, der einige sehr persönliche Zueignungen präsentiert, die sich dem Leser nicht un-mittelbar erschließen. Es gilt, dies nicht als Einschränkung, sondern als Chance zu verstehen, sich den Texten und den diese bevölkernden Frauen absolut unvorbelastet zu nähern. Gleich zu Beginn begegnet man der Angebeteten, unter deren Füßen selbst der klebrigste Hundekot zu Gold zu werden scheint, wenn sie ihn denn in schwebendem Zustand überhaupt berührt („... dein Lachen / bringt Freude so manchem Ort, ahnst du, / dass ich deinen Mantel touchierte, bevor / ich ging und ihn beneidete, weil / er diese Haut spüren darf?“ – aus dem bislang unveröffentlichten „Ob du’s ahnst?“). Man begegnet einer in Weltwahrnehmung und Vertrautheit begründeten Intensität („... Nicht / einmal ein zitterndes Wort / fand den Weg aus meinem zugeriegelten Mund, ein / Gespräch wuchs trotzdem in dir, in mir / und wollte nie aufhören, schier betäubt / von der Chance, die uns so unerwartet / überfiel...“ – aus „An eine, die vorüberging“); man be-gegnet natürlich auch der Geliebten, jenem Wesen, ohne das ein Gedichtband über die Frauen nur unvollständig sein kann: „Komm / ganz leise, / du meine Liebe, & wenn du gehst, / weil deine Angst / es verlangt / oder der Terminplan...“ aus „Eine Bitte“, entnommen dem Gedichtband Zeitzünder, orte Verlag 1987.

Immer wieder sind es auch zufällige Bekanntschaften, die Bucher zu denken geben, ihn inspirie-ren, zumindest beeindrucken, wie jene im „Busgedicht“: „Du standest neben mir, / ich spürte, noch sind / die Spermien in deinem Schoß, / die dein Freund dir offerierte / kurz vor dem Auf-stehen ...“ Eine großzügige Auslegung erfahren einige Texte, in denen zwar der Terminus der holden Weiblichkeit aufrechterhalten wird, obwohl es sich, wie in „Hundwiler Höhi“ (aus dem Gedichtband Weitere Stürme sind angesagt, Appenzeller Verlag 2002) um impressionistische Landschaftsskizzen handelt: „Wie eine Frau / liegst du da, / ganz offen, ganz nackt, ein / Ver-sprechen fast, / zur Linken die Felsen des Säntis, / rechts die sanftere Waldstatt, / zwei Geliebte, die deinen / struppigen Schoß nie erreichen.“

Ist es angebracht, von Werner Bucher als einem Mann im fortgeschrittenen Alter zu sprechen? Nun, da er in diesem Jahr seinen 70sten Geburtstag gefeiert hat, möchte ich es mir erlauben. Aber was kann einem das Alter schon anhaben, wenn man sich und sein Leben, seine Zärtlichkeit und Geilheit, Liebe und Leidenschaft in so wunderbaren Gedichten festgehalten hat? Große Gedichte, geschrieben mit Herz und Bauch.

Werner Bucher
Du mit deinem leisen Lächeln
Waldgut
2007 · 96 Seiten
ISBN:
978-3-037403631

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