Lesart
George Herbert* 1593† 1633

Love

Love bade me welcome; yet my soul drew back,
Guilty of dust and sin.
But quick-eyed Love, observing me grow slack
From my first entrance in,
Drew nearer to me, sweetly questioning
If I lack'd anything.

'A guest,' I answer'd, 'worthy to be here:'
Love said, 'You shall be he.'
'I, the unkind, ungrateful? Ah, my dear,
I cannot look on Thee.'
Love took my hand and smiling did reply,
'Who made the eyes but I?'

'Truth, Lord; but I have marr'd them: let my shame
Go where it doth deserve.'
'And know you not,' says Love, 'Who bore the blame?'
'My dear, then I will serve.'
'You must sit down,' says Love, 'and taste my meat.'

So I did sit and eat.

Liebe

Die Liebe empfing mich; doch meine Seele hielt sich zurück,
Schuldig des Staubes und der Sünde.
Doch die geistesgegenwärtige Liebe sah mich zögern.
Als sie mich erblickte,
Trat sie auf mich zu und fragte mich,
Ob mir etwas fehle.

„Ein Gast“, antwortete ich, „ würdig hier zu sein.“
Die Liebe sagte, „ Du sollst dieser Gast sein.“
„ Ich, der Unfreundliche, der Undankbare? Ah, meine Teure,
ich kann Ihnen nicht in die Augen schauen.“
Die Liebe nahm meine Hand und antwortete lächelnd,
„ Wer hat diese Augen denn gemacht, wenn nicht ich?“

„ Das ist wahr, meine Herrin; doch ich habe sie sie befleckt:
lass meine Schande zuschanden gehen.“
„ Und weißt du nicht,“ sagt die Liebe, „wer die Schuld auf sich nimmt?“
„Meine Teure, dann will ich von nun an dienen.“
„ Setz Dich,“ sagt die Liebe,“ und koste von meinem Fleisch.“

Da setzte ich mich und begann zu essen.

Aus dem Englischen übertragen von Stefanie Golisch
 

Liebe essen

Die Liebe ist geduldig und freundlich.
Sie kennt keinen Neid, keine Selbstsucht,
sie prahlt nicht und ist nicht überheblich,
Liebe ist weder verletzend
noch auf sich selbst bedacht,
weder reizbar noch nachtragend.
Sie freut sich nicht am Unrecht,
sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt.
Diese Liebe erträgt alles, sie glaubt alles,
sie hofft alles und hält allem stand.

So steht es geschrieben im Korinther Brief. Im wirklichen Leben ist meistens von allem das Gegenteil der Fall. Das Gedicht des anglikanischen Geistlichen und Dichters George Herbert (1593-1632), eines der Lieblingsgedichte Simone Weils, gefällt mir, weil es mit den Ambivalenzen und Interferenzen von geistlicher und weltlicher Liebe, von Eros und Agape, spielt. Die Einladung der Liebe, von ihrem Fleisch zu kosten, kann sich sowohl auf das Abendmal beziehen als auch auf die Leibesfreunden der irdischen Liebe. Ebenso wie häufig in den Sonetten John Donnes verwischen die Kategorien zur Unkenntlichkeit.Was nachklingt ist eine schöne, großzügige Geste.

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