Von und mit Herbert J. Wimmer
Naja, die Sache mit den Kärtchen
© Herbert J. Wimmer
Naja, die Sache mit den Kärtchen. Die haben angefangen vor, das ist auch eine reine Zufallsgeschichte, so 2000 hab ich einen neuen Computer bekommen, der im Programm ein Publisher-Programm hatte, mit dem man leicht Postkarten und alle möglichen Sachen gestalten kann. Und da hab ich angefangen mich zu spielen. In einem späten Anfall, nicht konkreter Poesie, aber halt möglichst kurzer Texte. Ich hab es dann der Elfriede Gerstl gezeigt, die war gleich ganz begeistert davon. Und hat mir auch eigene Sätze gegeben, damit ich sie für sie in Kärtchen verwandle. Ich glaub das erste von ihr war die Doppelkarte zur sogenannten „Therapieverweigerung!“:
neurose ist macht
und
meine neurose gehört mir
Und mein erstes war, das ist eh auch in dem Logo(s) drinnen, „Mess Age“, also „Message“ als zwei Wörter untereinander geschrieben:
MESS
AGE
Naja dann haben wir die Kärtchen gehabt, die waren einmal da zum Verschenken halt. Viele Freunde waren auch irgendwie dankbarer, wenn sie Kärtchen bekamen, als immer gleich ein ganzes Buch. Wir auch, weil es ist auch teuer, wenn man dauernd Bücher verschenkt. Kärtchen gehen. Das konnten wir uns leisten, die auf eigene Kosten herzustellen.
© Herbert J. Wimmer
Wir haben unsere Karten auch auf unterschiedliche Weise verschenkt. Elfriede hatte immer ein großes Interesse an Psychologie, sie hat ja nicht umsonst auch Psychologie studiert. Sie hat das immer als kleine Privatuntersuchung benutzt, indem sie immer ein paar Kärtchen dabei hatte, unterschiedliche, und die Freundinnen und Freunde, denen sie’s gezeigt hat, hat sie dann aussuchen lassen. Sie hat es interessiert, welche nehmen die zuerst. Während ich meine Karten eher mehr en bloc verschenke. Also ich mach da keinen Survey, einen privaten. Aber mir hat das gut gefallen, wie die Elfriede das gemacht hat und wir haben dann auch immer wieder darüber gesprochen. Auf die Weise bin ich natürlich auch draufgekommen, welche Kärtchen beliebter sind, oder leichter angenommen werden. Es ist ja auch bei den Karten so, dass nicht alle gleich leicht genommen werden. Sie sind ja unterschiedlich. So Sachen mit Aussagesätzen und die Scherze und so, die gehen leichter. Während – ich spiel mich halt gern – so Sprachspiele und so ein bisschen Raumaufteilung, Text- und Raumaufteilung, oder manchmal zweisprachige Kärtchen, die haben ihr eigenes Publikum. Da gibt’s viele, die diese sehr mögen, aber auch viele, denen sie völlig wurscht sind. Jeder nach seinen Wünschen halt.
Glücklicherweise hat sich 2004 die Möglichkeit ergeben, beim Droschl-Verlag eine kleine Auswahl dieser Sachen als sogenanntes Schachtelbuch zu machen. Wobei wir lange darüber nachgedacht haben, wie wir das nennen, als Gattungsbezeichnung. Ich schwanke heute noch. Einerseits kann man sie wirklich durchaus als „Textpostkarten“ bezeichnen. Andererseits finde ich „Textansichtskarten“ auch immer noch ganz schön, also als Gattungsbegriff. Ich verwende beide Begriffe, wenn ich daran denke. Aber das sind halt nur fünfzig Texte. Vielleicht ergibt sich irgendwann in den nächsten Jahren die Möglichkeit, noch einmal so ein Buch zu machen, wo der Rest drin ist. Es gibt von der Elfriede noch so zwischen dreißig und vierzig und dann gibt es noch ein paar sogenannte Gemeinschaftskarten. Und von mir entstehen sie auch immer wieder neu. Also man könnte eine doppelt so umfangreiche Schachtel machen. Aber da ist eben ein unternehmerisches Risiko auch dabei. Weil in der Buchhandlung ist das Problem, dass sie die Schachtel öffnen müssten, um es dem Publikum zu zeigen. Und das trauen sich nicht alle Buchhändler. Aber wenn es eingeschweißt herumliegt, greifen die Menschen nicht so zu. Toll war es beim Morawa, da hat es eine Verkäuferin gegeben, wie das erschienen ist, die hat aus einer Schachtel Karten-Girlanden gemacht und ein ganzes Eck in der Buchhandlung damit drapiert. Und die haben natürlich zwanzig oder dreißig Stück sofort verkauft. Also wenn das nur so im Regal steht, weiß niemand, was er davon halten soll. Naja, gut, das sind verkaufstechnische Sachen. Und man müsste es eigentlich mehr, aber da gehen wieder die Buchhandelsvertreter nicht hin, mehr so in Museumshops anbieten, Buchhandlungen in Museen oder von Galerien, fände ich. Ja, das ist ein eigenes Problem, wo die Vertreter hingehen. Aber es ist natürlich eh klar, wenn die nur ein oder zwei so Sachen haben, die für dort besonders gut geeignet sind, und der Rest nicht, dann sind das Wege, die sich oft nicht rechnen. Buchhandlungen, die kennen sie und dort können sie mehr verkaufen oder anbieten. Während im Museumshop halt nur dieses und zwei drei andere Sachen.
Die Kärtchen entstehen also weiterhin. Ich finde auch noch in dem Teil – es gibt ja einen kleinen Nachlassteil, der bei mir ist, der nicht in der Nationalbibliothek ist, also den Elfriede Gerstl mir geschenkt hat, das sind so Notizzettel und alte Kalender, in die sie auch immer Einträge gemacht hat – da finde ich, wenn ich sie ab und zu durchschau, immer wieder einige Entwürfe für Kärtchen oder Varianten von Gedichten, die sie nicht in die Gedichtbände hineingenommen hat, oder nicht gleich, oder für spätere Publikationen vielleicht aufgehoben hat. Das ist dann auch für die Materialienbände, die in Zukunft möglicherweise noch entstehen. Jetzt kommt ja der vierte Band heraus, von Christa Gürtler und Martin Wedl herausgegeben, Werkausgabe Gerstl Band vier. Der wird übrigens am 18. Juni in dem neuen Literaturmuseum präsentiert.
© Herbert J. Wimmer
Das ist jetzt einmal ausreichend, glaub ich, zu den Kärtchen was zu sagen. Es führt über zu diesem Buch da, Membran, Roman, der letzte Prosaband. Das ist so aufgebaut, dass es fünfundzwanzig Teile sind, die aus jeweils fünfundzwanzig kleinen Texten bestehen. Und einer dieser Texte ist ein Zitat von Gerstl. Der erste Text beginnt mit einem Zitat von Gerstl und der letzte Text endet mit einem Zitat von Gerstl. Also wenn man sich das aufzeichnet als fünfundzwanzig mal fünfundzwanzig Quadrate, geht sie da sozusagen mit ihren Zitaten diagonal durch das Buch. Von Anfang bis zum Ende. Diese Zeichnung als Magisches Quadrat ist ins Buch genommen worden, um so auch diesen Membran-Begriff irgendwie zu illustrieren. Es ergeben sich dann zwei Seiten, die miteinander zu tun haben und wo es Übergänge geben kann und soll. Es ist auch explizit im Buch, dass ich beide Arten von Membran meine, wenn es auf das Bilderreservoir ankommt: Schwingungen, technische Membrane, die durch Schwingungen etwas weitergeben und biologische Membrane, die Durchlässigkeiten sind. Das ist sozusagen das Organisationsprinzip für diesen Prosaband, den ich Roman nenne. Weil ich manche Sachen gerne Roman nenne, weil ich für einen erweiterten Gebrauch der Begriffe bin. Also expanded novels, könnte man vielleicht auf Englisch sagen. Aber nicht jeden Prosaband nenne ich Roman, nur bei manchen kann ich es einfach nicht vermeiden. Was dann oft zu Nachfragen führt: Wie das denn da so gemeint sei. Aber das haben doch viele ganz gut verstanden. Komischerweise die jüngeren Literaturwissenschaftler ein bisschen leichter als die so in meinem Alter sind. Vor zwei Jahren war ich eingeladen in dieses Seminar zur österreichischen Gegenwartsliteratur, kurz ONSEM genannt, in Nozawa-onsen in Japan, das der Walter Vogl, der an der Keio-Universität in Tokyo lehrt, organisiert. Wo sich so dreißig, fünfunddreißig Germanistinnen, Germanisten, Literaturwissenschaftler, ein Wochenende treffen, in einem Bergdorf in der Nähe von Nagano, und über einen Autor sprechen. Nozawa-onsen, - der Zusatz onsen im Ortsnamen heisst Bad, und bedeutet, dass der Ort über öffentliche heiße Bäder verfügt –. Das ist jedes Jahr immer wer anderer. 2013 war’s ich, jetzt, 2014 war’s die Sabine Gruber und das Jahr davor war’s der Doron Rabinovici.
Da ist hauptsächlich über dieses Buch, Membran, Roman weil es eben das aktuellste war, und über den Gedichtband aus dem Jahr davor, Grüner Anker, gesprochen worden. Zweieinhalb Tage. Und angenehm als Autor ist, man muss nur zuhören, ein bisschen Vorlesen aus den Texten, aber sich nicht unbedingt an der Diskussion beteiligen. Außer manchmal Fragen beantworten. Das war eine sehr gute Erfahrung. Und es war so perfekt organisiert, dass es ein reines Glücksgefühl war. Vor allem mit den Lesungen rund um das Seminar, weil es hat dann noch so sieben oder acht Lesungen, vier in Tokyo, gegeben, an verschiedenen Orten, auch im Kulturforum in der Botschaft eine, und sonst an Universitäten, in Nagoya, in Kyoto, in Yamaguchi. Das heißt man sitzt dauernd in diesem schönen schnellen Shinkansen und wird pünktlich von einem Ort zu dem andern gefahren. Und zwar in Stille. Weil ich das auch nicht gewusst hab und dann unglaublich dankbar war dafür: es ist in Japan verpönt, im Zug oder auch in der U-Bahn, ins Handy zu labern. Das tut niemand. Die Leute die so diese Touchpads haben oder so, die haben es da natürlich leichter, das darf man schon. Aber das laute Reden oder gar Musik dazu, mit Außenlautsprechern auch noch, das geht nicht. Das war angenehm.
Das führt mich zum Grünen Anker, der ist 2013 erschienen. Das ist ein Gedichtband mit neunundneunzig Gedichten. Und es ist der zweite einer Serie, die nach Elfriedes Tod entstanden sind, also seit Mai 2009. Da hab ich einige Jahre, aber vor allem das erste Jahr danach, eigentlich nur Gedichte geschrieben und kaum Aufsätze und kaum Prosa. Das Buch, Membran, Roman hab ich zwar schon 2002 begonnen, aber dann erst 2012 wirklich fertig gemacht, im Frühjahr 2012. Ja, also da hab ich einige Jahre nur Gedichte geschrieben. Und das ist weitergegangen – ich dachte, es wird ein Gedichtband, und dann ist es immer mehr geworden, das ist jetzt ein Zyklus von sieben Bänden, die so im Abstand von zwei Jahren beim Klever-Verlag erschienen sind, bzw. erscheinen werden. Also jetzt mit Wiener Zimmer - 100 Gedichte - das ist der dritte Band. Es hat eine bestimmte Gesamtzahl an Texten, über siebenhundert sind das, und halt sieben Bände. Da hoffe ich, wenn alles gut geht und der Ralph Klever das durchhält, dass der letzte Band – aber es wird immer etwas aktualisiert und ich überarbeite sie schon vor der Drucklegung und ich geb auch neuere immer hinein, aber die Gesamtzahl ist festgelegt irgendwie – dass es 2022 beendet ist. Wiener Zimmer werde ich, glaube ich, letztlich auch als Zyklustitel für alle sieben Bände nehmen.
Das Prinzip dieser Gedichtbände ist ihre Gemischtheit. Also die Gemischtheit der Formen. Es gibt fünf oder sechs Gedichtformen oder Gedichtarten, die immer wieder auftauchen. Aber ich hab die nicht auseinander sortiert, ich will die auch nicht auseinander dividieren und sozusagen sortenrein in einzelne Bände gießen, sondern eher so gemischt durchlaufen lassen. Und eben ein Motto, das auch natürlich wieder von Elfriede Gerstl ist:
ein gedicht darf argumentieren, muss aber nicht.
Es sind so Sachen, Texte, die sich rein einem sprachlichen Vergnügen verdanken und die sich über den Sprachgebrauch so weiter hanteln, oder eben Gedichte, die irgendwelche Gedanken haben. Wo ich auch zu faul war, einen Aufsatz dazu zu schreiben, und es lieber in einem Gedicht in aller Kürze drinnen hab, dass es a) nicht verloren geht und b) ein eigener Text ist. Und sozusagen irgendwie ein Ansatz von Argumentation drin ist. Ja, also das mein ich mit Gemischtheit, das wechselt sich dann ab, manchmal geht es auch in einem Gedicht, einem Text gemischt zu.
In den ersten drei Bänden ist es so, dass am Ende das letzte Gedicht ein Langgedicht ist, welches zum Teil schon sehr viel früher angefangen wurde und erst dann halt so um oder nach 2010 beendet wurde. Ja, im Grünen Anker ist das drin, den hab ich jetzt nicht dabei, also da gibt’s ein Gedicht, das heißt jetzt Pöchlarner Feld, das enthält einige Zeilen, die sind schon 1969 entstanden. Da war ich achtzehn und die haben das irgendwie überlebt. Es beschäftigt sich mit diesem kleinen Ort, in dem ich aufgewachsen bin, aber hauptsächlich nur die Zeit Ende der 60er Jahre, meine frühe Berufstätigkeit und überhaupt diese Art von Stimmung. Das erscheint immer mal wieder, daran arbeite ich immer mal wieder, dann kommt was dazu, doch noch irgendeine Erinnerung oder ein Detail. 1993, da hab ich mal eine Rundfunksendung daraus gemacht, noch für die Heidi Grundmann mit dem ORF-Kunstradio. Dann hat es sich wieder ein bisschen erweitert, da war das einmal abgedruckt bei Siegfried J. Schmidt, der hat - mit anderen zusammen - bei Suhrkamp eine Zeit lang so eine Schriftenreihe bzw. Jahrbücher für den Radikalen Konstruktivismus herausgegeben, namens Delfin. Als Taschenbücher in der Suhrkamp Wissenschaft war das, in den 90er Jahren. Da war ich ganz erfreut darüber, dass es 1996 darin aufgenommen wurde. Weil ich schätz den schon sehr, den Siegfried J. Schmidt. Ja, und dann erscheint es immer mal wieder, wenn es eine neuere Fassung gibt. Heuer erscheint es noch einmal, wieder leicht verändert oder aktualisiert, in der sogenannten Mostviertel-Anthologie. Die niederösterreichische Landesregierung gibt seit letztem Jahr viertelweise Anthologien, illustriert von jeweils einer bildenden Künstlerin, einem bildenden Künstler, und mit Texten von Autorinnen Autoren heraus, die in der Region geboren wurden und/oder immer noch dort leben, oder zu Orten, in denen sie seit einiger Zeit leben, was schreiben wollen. Letztes Jahr war es das Waldviertel, mit der Linde Waber als bildender Künstlerin. Heuer ist es das Mostviertel, Pöchlarn ist Mostviertel, aber da weiß ich jetzt den bildenden Künstler nicht dazu, da lass ich mich überraschen.
So entwickelt sich der Pöchlarn-Text. Und hat als konkreten Textbestandteil, weil ich das immer notiert habe, die Datumsliste der einzelnen Arbeitsschritte, der jeweiligen wirklichen Veränderungen des Textes. Also vom 1969er Jahr wusste ich nur mehr irgendwann im Juni, dann ist es genauer geworden.
Früher hieß das Pattern/Pöchlarn-Fraktale. Weil ich so diese Vorstellung hatte, dass autobiografische Texte hauptsächlich aus Mustern bestehen und die Autobiografie, sozusagen das Schreiben der Autobiografie, im Erkennen, eigentlich das wesentliche Merkmal das Erkennen der eigenen Muster ist, auf vielerlei Ebenen, die man ausgebildet hat oder die einen ausbilden. Nicht nur Sprachmuster, Verhaltensmuster, Muster aller Arten, pattern eben in der Weise. Und Fraktale ist halt – da hat mich immer dieses Moment der Selbstähnlichkeit bei diesen Mandelbrotschen Figuren interessiert. Wurscht mit welcher Vergrößerungsstufe man sich das anschaut oder wie tief man ins Muster hineingeht, sie bestehen immer aus derselben Grundfigur, dieses Apfelmännchen. Also dieses Moment der Selbstähnlichkeit. Und das ist natürlich ein autobiografisches Detail, das ich nicht weiter ausarbeiten wollte, aber als Form im Text drinnen haben wollte, oder als Formanspielung im Text drinnen haben wollte. Dass man sich relativ oft ähnlich verhält, auch in unterschiedlichen Situationen, und es zur Autobiografie gehören kann, eine Geschichte dieses ähnlichen Verhaltens zu haben. Da ist jetzt nicht gleich unbedingt Wiederholungszwang gemeint, sondern entweder verfällt man in dieselben Muster oder man verarbeitet sie und kommt drauf, dass aber auch in der verarbeitenden Weise, sogar auf einer anderen Entwicklungsstufe, es aber doch vielleicht wieder so ein ähnliches Muster ist. Wie man sich verhält einerseits, oder wie man wahrnimmt. Also nicht nur Verhaltensmuster, sondern auch Wahrnehmungsmuster und natürlich, was dazwischen ist, diese Reflektionsmuster. Die einen auch schon sehr stark begrenzen. Oder einen ausmachen. Oder vielleicht auch nur das Bewusstsein zusammenhalten.
Das habe ich versucht möglichst ganz kurz im Text auch noch zu bemerken, aber es hauptsächlich durch Nennung des Begriffs im Titel wohlmeinenden Leserinnen und Lesern zu unterstellen, dass sie das vielleicht auch so sehen könnten, wenn sie den Text lesen. Der im Wesentlichen kein erzählender Text ist, sondern listenartig gebaut ist. Eigentlich sind es Listen aus dem Leben in den 1960er Jahren in diesem Ort und meiner Berufsausbildung. Ich hatte damals die Schule abgebrochen, weil ich dann auf die für mich falsche Schule gegangen bin, nämlich eine, auf die ich nicht gehen wollte, aber aus familiären Gründen hat es sich ergeben, sollte ich dort hin. Nach dem Schulabbruch musste ich einen Beruf erlernen und da war ich dann in einer Art – nicht nur in einer Art – in einer Eisenhandlung. Die so alles Mögliche – Rohstoffe und fertige Produkte – hatte. Eisen, Eisenwaren, Küchengeräte, Kohle, Hanfschnüre, alles Mögliche, das war ganz spannend. Und diese Zeit ist als Liste von Waren übrig geblieben. Daraus besteht der Text anfangs, das ist der Einstieg.
© Herbert J. Wimmer
Eine ganz neue Entwicklung für mich war ja, wie mich letztes Jahr Marion Steinfellner eingeladen hat, mit ihr einen Text und ein Projekt zu machen, in dem sich Text, Tanz und Musik miteinander verbinden lassen. Das ist was ganz Neues gewesen und eine durchaus beglückende Erfahrung, so eine Erweiterung ins Gestische – ins Sprachgestische, ins Körpergestische und eben auch ins musikalisch-Gestische – durchführen zu können. Wobei für mich überhaupt ganz neu war, dass die Texte und die Musik über Passagen, sehr selbstständige Passagen, über den Butoh-Tanz verbunden sind, mit dem ich mich vorher nur am Rande, nicht wirklich, beschäftigt hatte. Und das wechselt so ab. Das sind sozusagen Phasen – eben der Butoh-Tanz und die Musik – starker Improvisation. Den Text, den haben wir gemeinsam erarbeitet, und er ist jeweils in der Art meiner und ihrer Texte geschrieben, die dann in einem eigenen und gemeinsamen Schreibakt ineinander bzw. miteinander verschränkt wurden. Der Text wiederum ist etwas sehr Elaboriertes, Feststehendes und sich Wiederholendes. Sozusagen auch strukturell. Dieser Verschränkungsprozess und diese Übergänge waren für mich eine wirklich interessante Erfahrung. Wir werden auch heuer wieder ein Poetik-Tanz-Musik-Projekt ausarbeiten, mit einem neuen Thema, dieses Jahr wird es „Licht“, Arbeitstitel ist jetzt einmal Lichtstück - 2015 ist ja von der UNESCO als das Internationale Jahr des Lichts ausgerufen worden. Voriges Jahr war es Wasserinterieur, das hatte ein Begriffsfeld, sozusagen ein semiotisches Feld mit Wasser, es wurde als Koproduktion mit Julia Reicherts Kabinetttheater in eben diesem Kabinetttheater ur-produziert. Das neue Lichtstück wird am 6.Mai 2015 im Literaturhaus Wien, mit dem Michael Fischer, der live Sound-Scapes sampeln wird, realisiert werden. Es wird auch anders strukturiert sein und wir werden diesmal auch Fotos projizieren können. Beim Wasserinterieur war es reduziert auf einen schwarzen Bühnenraum, also das war im Kabinetttheater in Wien. Das Bühnenbild, ein Sofa, dann der Platz für die Cellistin, die Clementine Gasser, und dazwischen der freie Bühnenraum für die intensiv vorbereiteten Butoh-Improvisationen Marion Steinfellners.
Marion Steinfellner & Herbert J. Wimmer in „Wasserinterieur - (nach Max Ernst)“; Kabinetttheater Wien, 09. & 10.05.2014 © Bastian Schwind
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