Papuszas gesprochene Lieder

Gedichte

Autor:
Bronia Wajs-Papusza
Besprechung:
Simone Trieder
 

Gedichte

Püppchen im Wald - Bronia Wajs-Papusza ist Zigeunerin und spricht ihre Lieder

Sie hatte ein Tabu gebrochen und „Geheimnisse der Zigeuner“ verraten. Eine Katastrophe für Bronia Wajs-Papusza. Das Püppchen aus dem Wald zerbrach. Ihrer Identität beraubt, aus der sich ihre Poesie speiste, kam sie nun immer öfter in psychiatrische Abteilungen von Krankenhäusern. Sie schrieb nicht mehr. Sie adoptierte ein schwieriges Zigeunerkind, den Waisenjungen Tarzan. Der bekannte polnische Schriftsteller Julian Tuwin ermunterte sie, wieder zu schreiben. Er und Ficowski boten ihr Geld an, das sie, die in Armut lebte, stolz ablehnte. Doch im Krankenhaus, wohin sie immer wieder musste, umsorgte man sie wie eine Dame, erwähnte sie nur den Namen Tuwin. Nach zwanzig Jahren Pause schrieb sie in den 1970er Jahren noch einige wenige ihrer gesprochenen Lieder, die letzten. „Herr, wo ist mein Rock, / dieser rote und weiße / aus allen Blumen der Welt? / Wer hat ihn mir zerfetzt?“, beklagt sie ihr Ausgestoßensein. Und wieder Sehnsucht nach ihrem Ursprung, dem Wald. In „Wald, mein Vater“ heißt es: „Oh Gott, wohin gehen? Was tun, woher nehmen / die Märchen und Lieder?“ Ihre eigenen Lied-Gedichte stellte sie weit unter die mündlich überlieferten Lieder ihrer Jugend und doch knüpft sie an ihre Lieder die Hoffnung, dass etwas von ihr überliefert wird: „Heut oder morgen vergeht mein Leben, / und in meinem Wald zurück / bleiben meine dummen Lieder. / Und der Wald wird sie singen – / der schwarz, grün, rote.“

Bronia Wajs-Papusza starb 1987. In Gorzów, wo sie lange lebte, hat ihr Neffe, der Komponist Edward Dębrecki seiner Tante ein Festival gewidmet, das alljährlich stattfindet. Eine andere, eher zweifelhafte Ehrung erfährt Papusza in dem 2007 erschienen Roman „Zoli“ des irischen Bestseller-Autors Colum McCann. Er benutzt ihre Biografie zu einer einerseits fiktiven Erzählung, andererseits zitiert er Papuszas „Blutige Tränen“.  Seine „Zoli“ lernt das Lesen und Schreiben bei ihrem Großvater, der auch dafür sorgt, dass nur der Mann sie heiraten darf, der ihr Schreiben akzeptiert. In Wirklichkeit hielt keiner seine schützende Hand über das Mädchen Bronia, das im Alter von zwölf Jahren das Schreiben von polnischen Schulkindern lernte, die ihr das a und das b usw. auf die Straße kritzelten. Mit einem gestohlenen Huhn „bezahlte“ sie eine jüdische Buchhändlerin, die ihr das Lesen beibrachte. Das hat Papusza selbst so beschrieben. Auch ihre biografische Skizze sollte einmal ins Deutsche übersetzt werden.

Dass wir überhaupt von ihr erfahren, haben wir der in Frankfurt lebenden Übersetzerin Karin Wolff zu verdanken, die bereits vor 20 Jahren in einem kleinen Berliner Verlag einige Gedichte von Papusza veröffentlichte, die längst vergriffen sind. Karin Wolff hielt nicht verbittert ihre Schubladen verschlossen, in denen wohl noch so manche Entdeckung schlummert, sondern erinnerte immer wieder mündlich an die in Deutschland noch gar nicht entdeckte Papusza. Und sie fand bei dem Leiter des Kleistmuseums Wolfgang de Bruyn einen engagierten Herausgeber der kleinen kostbaren Reihe „Poesievolle Nachbarschaft“. Hier erschienen im Sommer 2011 in Karin Wolffs Übersetzung 13 von Papuszas gesprochenen Liedern, manche nur in Auszügen. In dem kleinen besonderen Verlag Czarne, tief im polnischen Wald, erscheint 2012, im Jahr ihres 25. Todestages, ein Buch über Papusza. Auf polnisch …
 

DORT, WO DER WIND (1952)

Dort, wo der Wind Lieder singt,
beten im Herbst goldene Blätter
und eine schwarze Zigeunerfrau
zu Gott.
In Wäldern,
an Scheidewegen,
wo die Winde Lieder singen,
fleht die Zigeunerin zu Gott,
und ein goldenes Blatt fällt herab.


(Übersetzung: Karin Wolff)



Originalbeitrag

Bronia Wajs-Papusza: Papuszas gesprochene Lieder. Ausgewählt von Karin Wolff, polnisch und deutsch. In der Reihe „Poesievolle Nachbarschaft“  Kleistmuseum, Frankfurt an der Oder 2011.
 

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