Alfred Döblin

Eine Biographie

Autor:
Wilfried F. Schoeller
Besprechung:
Florian Keisinger
 

Eine Biographie

Chronik des Chronisten – Wilfried F. Schoeller legt die erste umfassende Döblin-Biografie vor

Unmittelbar nach Kriegsende kehrte Döblin nach Deutschland zurück. Am 9. November 1945 erreichte er Baden-Baden, wohin er von den französischen Besatzungsbehörden mit dem Auftrag der „Rééducation“ der Deutschen entsandt worden war. Vor Ort jedoch wusste man nicht viel mit ihm anzufangen. Auch sein Versuch, mit den in Deutschland gebliebenen bzw. bereits zurückgekehrten Intellektuellen in Verbindung zu treten und eine Art „Aufklärungsgruppe“ ins Leben zu rufen, „um mit ihr gegen die herrschende Indifferenz und gegen die gefährlichen Rückstände zu kämpfen“, verlief nach anfänglichen Sondierungen im Sande. Das lag nicht nur an den äußeren Umständen (Zensur etc.), sondern auch am Unwillen der Beteiligten, unter ihnen Reinhold Schneider, Helene Henze und Oskar Wöhrle, die, so Döblins bitteres Urteil, „nicht zu einer Gruppe zusammentreten [wollten], welche mit Franzosen kollaborierte.“ Helen Henze begründete ihre Vorbehalte später damit, dass Döblin wie ein Oberlehrer aufgetreten sei, der den übrigen Autoren sein „Bild von der gesamten Lage am Kriegsende“ vermitteln wollte; dafür jedoch seien die Erfahrungen der Beteiligten bei Kriegsende zu unterschiedlich gewesen.

Enttäuscht von seiner Wirkungslosigkeit, entschied sich Döblin gegen Ende seines Lebens erneut für das Exil. Gesundheitlich bereits angeschlagen, zog er 1953 nach Paris. In Deutschland verstaubten derweil seine Werke in den Buchhandlungen, wenn sie überhaupt dort auslagen.  „Mir kam vor, ich hatte in der Bundesrepublik wirklich nichts mehr zu suchen“, begründete er später einmal seinen Schritt.

Die Wiederentdeckung von „Berlin-Alexanderplatz“ als einem der großen deutschsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts, die mit den 1960er Jahren einsetzte, erlebte Döblin – er war 1957 gestorben – nicht mehr. Es hätte ihn sicherlich gefreut, wenngleich man annehmen muss, dass er mit der Sonderstellung, die das Buch fortan in seinem Gesamtwerk einnehmen sollte, gehadert hätte.   

Leider finden sich bei Schoeller kaum Details zur Rezeptionsgeschichte Döblins in der Bundesrepublik. Davon abgesehen ist es ihm jedoch vortrefflich gelungen, die Materialmassen, die Döblin selbst hinterlassen hat – „Hacke ich nicht täglich meine fünfzehn, zwanzig Schreibseiten herunter, ist mir nicht wohl“ –, und die zu Lebzeiten und danach über ihn verfasst wurden, in eine flüssige, gut lesbaren Gesamtdarstellung über Leben und Werk des Schriftstellers und Nervenarztes zu gießen. Ob das für eine Renaissance der literarischen Werke Döblins beim Lesepublikum reichen wird, ist allerdings fraglich.  

 

Originalbeitrag

Wilfried F. Schoeller, Alfred Döblin. Eine Biographie, Carl Hanser Verlag, München 2011, 911 Seiten, 34,90 Euro.

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